Was ist eine Verdachtskündigung

Das Bild zeigt einen Tischkalender, auf den mit blauer Schrift das Wort Gerichtsverhandlung geschrieben ist.

Verdachtskündigung

Bereits der dringende Verdacht, ein Arbeitnehmer habe eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen, kann einen wichtigen Grund für eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung darstellen. Die Verdachtskündigung ist also eine Kündigung, die vom Arbeitgeber alleine damit begründet werden kann, dass die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, da ein schwerwiegender Verdacht gegen einen Arbeitnehmer besteht.

Verdachtskündigung - Inhaltsverzeichnis

Beispiele für Verdachtskündigungen

Typische Beispiele für eine Verdachtskündigung sind:

- Diebstahl (Warendiebstahl)

- Unterschlagung (Griff in die Kasse)

- Betrug (Spesenabrechnung)

- Verrat von Geschäftsgeheimnissen (unentgeltlich oder entgeltlich an Konkurrenten, Industriespionage)

- Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit

- Manipulation bei der Arbeitszeiterfassung

- Sexuelle Belästigung

Die Verdachtskündigung ist arbeitsrechtlich ein schwerer Eingriff in das Arbeitsverhältnis. Es besteht bei einer derartigen Kündigung immer die Gefahr, den betroffenen Arbeitnehmer zu Unrecht zu verdächtigen und zu kündigen. Die Verdachtskündigung wird regelmäßig als außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Hintergrund dieser Kündigungsart ist folgender Gedanke: für den Arbeitgeber stellt die weitere Zusammenarbeit mit einem verdächtigten Arbeitnehmer - gerade in sensiblen Arbeitsbereichen - eine unerträgliche Belastung des Arbeitsverhältnisses dar. Der Arbeitgeber ist also zur Kündigung berechtigt, da sein Vertrauensverhältnis zum Arbeitnehmer schwerwiegend gestört ist.

Unterscheidung Verdachtskündigung - Tatkündigung

Die Verdachtskündigung ist ein eigenständiger Tatbestand und damit kein Unterfall der Tatkündigung. Wesentliches Unterscheidungskriterium ist der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers. Bei der Tatkündigung ist der Arbeitgeber davon überzeugt, dass der Arbeitnehmer eine schwerwiegende Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist für den Arbeitgeber daher unzumutbar. Bei der Verdachtskündigung hat der Arbeitgeber dagegen einen dringenden Verdacht, dass der Arbeitnehmer eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat. Dieser dringende Verdacht, zerstört den Glauben an die Redlichkeit des Arbeitnehmers und das notwendige Vertrauen, welches zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Spricht der Arbeitgeber eine Tatkündigung aus und erhebt somit den Vorwurf einer schweren Pflichtverletzung des Arbeitnehmers, so beinhaltet dieser Vorwurf nicht automatisch auch einen entsprechenden Verdacht einer Pflichtverletzung. Die Verdachtskündigungist kein Minus im Vergleich zu einer Tatkündigung.Die Verdachtskündigung ist vielmehr ein eigenständiger Kündigungsgrund. Wenn der Arbeitgeber also nur eine Tatkündigung ausspricht, so kann er sich in einem späteren Arbeitsgerichtsprozess nicht darauf berufen, dass der Mitarbeiter jedenfalls der Tat dringend verdächtig sei und die ausgesprochene Tatkündigung daher zumindest als Verdachtskündigung als wirksam angesehen werden müsse. Die Arbeitsgerichte gestatten dem Arbeitgeber deshalb, wegen desselben Sachverhaltes gleichzeitig sowohl eine Tatkündigung als auch zusätzlich noch eine Verdachtskündigung auszusprechen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber beispielsweise bei der Anhörung des Betriebsrats beide Kündigungsvarianten deutlich macht.

Besondere Probleme der Verdachtskündigung

Die Zulässigkeit der Verdachtskündigung ist vom Bundesarbeitsgericht anerkannt und bereits mehrfach bestätigt worden. Trotzdem ist diese Kündigungsart nach wie vor sehr umstritten. In der arbeitsrechtlichen Literatur wird die Verdachtskündigung zum Teil generell abgelehnt. Die besondere Schwierigkeit der Verdachtskündigung liegt darin, dem Arbeitnehmer zu vermitteln, dass seine Tatbegehung keineswegs bewiesen ist (denn es handelt sich nicht um eine Tatkündigung !) und er trotzdem das Unternehmen verlassen muss. Der wesentliche Aspekt für den Arbeitnehmer ist auch nicht die Tatsache, dass er das Unternehmen (meistens gegen Abfindungszahlung) verlassen muss, sondern die Demütigung, die der Arbeitnehmer durch diese Kündigung erleidet. Eine derartige Verdachtskündigung des Arbeitgebers spricht sich in Windeseile im gesamten Unternehmen herum. Der ausgesprochene Verdacht lässt sich selten wieder vollständig eindämmen oder widerlegen. Die moralische Integrität und der Leumund des Arbeitnehmers sind meistens nachhaltig beeinträchtigt oder gar zerstört. Da hilft auch die erhaltene Abfindung nicht darüber hinweg.

Voraussetzungen der Verdachtskündigung

Es ist zunächst erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, welche einen dringenden Tatverdacht für eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers auslösen. Diese objektiven Tatsachen müssen entweder unstreitig sein oder vom Arbeitgeber bewiesen werden. Es darf keine anderen plausiblen Erklärungen für den Geschehensablauf geben. Beispiel: Arbeitnehmer hatte als einziger den Schlüssel für die Kasse und nach Schließung des Restaurants wird mehrfach ein Kassenfehlbetrag festgestellt oder Kassenbestand stimmt nicht mit den Bestellungen und Quittungsbelegen überein, obwohl der Arbeitnehmer alleine Kassenzugriff hatte und für Rechnungsbelege zuständig war.

Die Pflichtverletzung, die dem Arbeitnehmer vorgeworfen werden, müssen so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist. Nur dann liegt an sich ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB vor.

Wird die Verdachtskündigung als außerordentliche Kündigung ausgesprochen, so muss der Arbeitgeber die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB beachten. Diese Frist beginnt erst nach Abschluss der ordnungsgemäßen Ermittlungen des Arbeitgebers.

Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers. Dieser muss die dringenden Verdachtsmomente kennen und er musste die Gelegenheit zu einer Stellungnahme hierzu haben. Eine ordnungsgemäße Anhörung hemmt den Lauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Die Anhörung und Gelegenheit zur Stellungnahme kann als einheitlicher Vorgang gestaltet oder in zwei Schritte aufgeteilt werden. Häufig werden bei der Anhörung datenschutzrechtliche Anforderungen übersehen. Fehler in diesem Rechtsbereich haben weitreichende Konsequenzen bis hin zu einem prozessualen Verwertungsverbot oder Unwirksamkeit der Kündigung.

Besteht ein Betriebsrat, dann ist dieser vor Ausspruch der Verdachtskündigung zwingend anzuhören. Erfolgt diese Anhörung des Betriebsrats nicht, dann ist die ausgesprochene Kündigung unwirksam. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat umfassend informieren, damit dieser sich sein eigenes Bild von der beabsichtigten Verdachtskündigung machen kann. Der Arbeitgeber hat alle bekannten Verdachtsmomente, aber auch die Entlastungsmomente und seine vergeblichen Bemühungen im Hinblick auf die Wahrheitsfindung darzulegen. Er muss ferner erläutern, warum aufgrund des Verdachtes eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar ist. Die Unterrichtung des Betriebsrates ist eine häufige Fehlerquelle, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann.

Wenn der Verdacht sich nicht bestätigt ?

Was geschieht allerdings, sofern der Verdacht sich nicht bestätigt ? Der Arbeitnehmer hat dann möglicherweise einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Fortzahlung seiner Bezüge während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens. Kündigt der Arbeitgeber leichtfertig, ohne die Verdachtsmomente sorgfältig zu überprüfen, dann können hieraus höhere Abfindungsansprüche resultieren (LAG Schleswig-Holstein, Az: 3 Sa 491/03).

Rechtsprechung

  • Urteil des Thüringer LAG vom 22.03.2023, Az: 4 Sa 272/21: Urteil zu den Voraussetzungen der Wirksamkeit einer ordnungsgemäßen Anhörung des Mitarbeiters vor Ausspruch einer Verdachtskündigung. Der Arbeitnehmer ist mit sämtlichen Verdachtsmomenten zu konfrontieren, damit er hierzu Stellung nehmen kann. Verschweigt der Arbeitgeber in der Anhörung wesentliche Verdachtsmomente, so ist die Anhörung insgesamt nicht ordnungsgemäß und die Kündigung damit unwirksam.

  • Urteil des BAG vom 27.09.2022, Az: 2 AZR 508/21: Die Vereinnahmung von Entgelten aus Warenverkäufen kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn keine Bonierung der Verkäufe erfolgte. Die fehlende Erfassung in einem Kassensystem ist geeignet, das Vermögen des Arbeitgebers zu gefährden und sein Vertrauen in die Redlichkeit des Mitarbeiters zu erschüttern. Den Mitarbeiter trifft eine sekundäre Darlegungslast. Nur er kennt die wesentlichen Tatsachen und den Geschehensablauf. Soweit der Mitarbeiter seiner Darlegungslast nicht nachkommt, gilt das Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden.

Rechtsanwalt Christian Sehn - Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht
Kanzlei Lampertheim, Wilhelmstr. 70, 68623 Lampertheim, 06206 - 1859121 Verdachtskündigung - Bearbeitungsstand 14.05.2024. Der Inhalt dieser Seiten kann keine Beratung durch einen Anwalt ersetzen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise.

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