Beiträge zum Stichwort »Arbeitsrecht«
Gerichtsverfahren und Vereinfachung
Die Bundesregierung hat eine Vereinfachung des sozialgerichtlichen und arbeitsgerichtlichen Verfahrens beschlossen. Dadurch soll die Justiz zukünftig entlastet und Prozesse im Interesse der Bürger beschleunigt werden. Hiermit wird insbesondere auf die hohe Belastung der Sozialgerichte seit der Einführung des SGB II reagiert. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen sollen eine Entlastung der Sozialgerichte und eine Verkürzung der Verfahrensdauer im Interesse der Prozessparteien herbeigeführt werden. U.a. wird eine erstinstanzliche Zuständigkeit für die Landessozialgerichte in Verfahren geschafffen, in denen es überwiegend um übergeordnete Rechtsfragen und nicht um Tatsachenfragen geht. Der Schwellenwert zur Berufung vor den Landessozialgerichten wird bei natürlichen Personen von 500 Euro auf 750 Euro und für Erstattungsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen von 5.000 Euro auf 10.000 Euro angehoben. Ferner werden die Mitwirkungspflichten der Parteien im Prozess strengeren Anforderungen unterzogen. Auch das Arbeitsgerichtverfahren soll einfacher, schneller und bürgerfreundlicher gestaltet werden. Ein "Gerichtsstand des Arbeitsortes" soll den Arbeitnehmern die Durchsetzung ihrer Ansprüche erleichtern (Außendienstmitarbeiter können dann künftig auch in dem Gerichtsbezirk klagen, in dem sie gewöhnlich arbeiten). Auch das Verfahren der nachträglichen Zulassung von Kündigungsschutzklagen wird geändert. Bisher muss ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erheben, da die Kündigung sonst als von Anfang an rechtswirksam gilt. Wenn der Arbeitnehmer die Klagefrist unverschuldet versäumt, kann er die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragen. Über diesen Antrag wurde bisher in einem gesonderten Zwischenverfahren entschieden. Das Verfahren soll nun deutlich verkürzt werden. Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Kündigung und Schwerbehinderung
Urteil des BAG vom 08.11.2007, Akz: 2 AZR 425/06:
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten bedarf
gem. § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung durch das Integrationsamt.
Ohne Zustimmung des Integrationsamtes ist eine ausgesprochene
Kündigung unwirksam. Gem. § 88 Abs. 3 SGB IX kann der
Arbeitgeber (sofern das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat)
innerhalb eines Monats die Kündigung erklären. Bei unverändertem
Kündigungsgrund kann die Kündigung auch mehrfach ausgesprochen
werden. Hintergrund: der Arbeitgeber war sich unsicher, ob die
erste Kündigung formell korrekt ausgesprochen worden war und hat daher zur
Sicherheit eine zweite Kündigung zugestellen lassen. Die Arbeitnehmerin
und Klägerin war der Ansicht, die zweite Kündigung sei unwirksam, da
durch die erste Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes
"verbraucht" worden sei. Für die zweite Kündigung hätte erneut
die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden müssen.
Betriebsübergang und Vertragsänderung
Urteil des BAG vom 07.11.2007, Akz: 5 AZR 1007/06:
§ 613 a BGB hindert Arbeitnehmer und Betriebsübernehmer
nicht, nach einem Betriebsübergang
einzelvertraglich die mit dem Betriebsveräußerer vereinbarte
Vergütung abzusenken. Eine solche Vereinbarung bedarf keines sie
rechtfertigenden Sachgrundes.
Betriebsübergang und Aufhebungsvertrag
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 25. Oktober 2007, Akz: 8 AZR
917/06:
Schließt der Insolvenzverwalter mit dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des
Betriebsüberganges einen
Aufhebungsvertrag, so ist dieser als unzulässige Umgehung
des Kündigungsverbotes wegen Betriebsübergangs unwirksam.
Mobbing und Schmerzensgeld
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 25. Oktober 2007, Akz: 8 AZR
593/06:
Ein Arbeitnehmer, der durch seinen Vorgesetzten gemobbt wird und daher
psychisch erkrankt, hat gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf Schmerzensgeld. Die Entlassung
des "Mobbenden" kann er im Regelfall jedoch nicht verlangen. Er hat nur
Anspruch auf einen anderen gleichwertigen Arbeitsplatz, an dem er nicht mehr
den Weisungen seines Vorgesetzten untersteht, wenn ein solcher Arbeitsplatz im
Betrieb vorhanden ist.
Arbeitsvertrag und Bonus
Urteil des BAG vom 24.10.2007, Akz: 10 AZR 825/06
Gem. § 307 BGB sind vorformulierte Arbeitsvertragsklauseln unwirksam, wenn
sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von "Treu und Glauben" unangemessen
benachteiligen. Die Unwirksamkeit kann sich daraus ergeben, dass eine Klausel
entgegen dem in dieser Vorschrift verankerten Transparenzgebot nicht klar und
verständlich ist. Hintergrund: im Arbeitsvertrag war dem Kläger
zunächst die Teilnahme an einem Bonussystem zugesagt worden (In 2002 und
2003 hat der Kläger dann tatsächlich auch jeweils einen Bonus
erhalten). Eine weitere Klausel des Arbeitsvertrages regelte das Entfallen des
Anspruches auf die Bonuszahlung, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 1. 4.
des Folgejahres gekündigt wird. Nach Ansicht des BAG ist die
Stichtagsregelung unwirksam. Diese stellt bezüglich der Dauer der Bindung
nicht auf die Höhe der Bonuszahlung ab, ist jedenfalls insoweit zu weit
gefasst und benachteiligt den Arbeitnehmer deshalb unangemessen.
Arbeitsrecht und Personalakte
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.10.2007, Akz: 9 AZR 110/07
Zum Inhalt einer Personalakte gehören alle
Schriftstücke, die sich mit der Person eines bestimmten Arbeitnehmers und
seiner Entwicklung im Arbeitsverhältnis befassen. Die Personalakte soll
wahrheitsgemäß und vollständig Auskunft über die Person
des Arbeitnehmers und seinen beruflichen Werdegang geben. Über die Art und
Weise der "Personalaktenführung" entscheidet der Arbeitgeber aber alleine.
Hintergrund: Der Kläger stellte bei Einsicht in seine
Personalakten fest, dass die Seiten der enthaltenen Unterlagen keine
Nummerierung trugen. Mit der Klage vor den Arbeitsgerichten begehrte er eine
zukünftige Paginierung (fortlaufende Nummerierung) seiner Personalakte.
Durch die Paginierung werde der Inhalt der Personalakte gesichert. Nach Ansicht
des BAG fehlt für den geltend gemachten Anspruch aber eine
arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlageund es wies die Klage ab - der Kläger vermutet, dass vor seiner Akteneinsichtnahme
entsprechende Unterlagen aus der Akte entfernt werden. Mögliche Abhilfe:
Ein außerplanmäßiges und überraschendes
Einsichtsgesuch in die Personalakte.
Befristung und Arbeitsverhältnis
Urteil des BAG vom 10.10.2007, Akz: 7 AZR 795/06:
Die Parteien schlossen nach Beendigung der Ausbildung der Klägerin
(Bürokommunikationskauffrau) einen bis zum 23. Juli 2004 befristeten
Arbeitsvertrag. Das Arbeitsverhältnis wurde danach bis zum 26. Januar 2005
und durch einen weiteren befristeten Vertrag bis zum 23. Juli 2005
verlängert. Nach Ansicht des BAG liegt ein sachlicher Grund für eine
Befristung vor, wenn diese im Anschluss an eine Ausbildung erfolgt, um den
Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu
erleichtern. Zulässig ist aber nur der einmalige Abschluss eines
befristeten Arbeitsvertrages. Weitere Befristungen können nicht auf einen
Sachgrund gem. § 14 Abs. 1, Satz 2, Nr. 2 TzBfG
gestützt werden - ***
Zwischenzeugnis
Urteil des LAG Hannover vom 13.03.2007, Akz: 9 Sa 1835/06:
Enthält eine Aufhebungsvereinbarung die Formulierung, dass der
Arbeitnehmer ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis auf "Basis des
Zwischenzeugnisses" erhalten soll, dann ist der Arbeitgeber anschließend
verpflichtet, ein mit dem Zwischenzeugnis inhaltsgleiches Endzeugnis
auszustellen - ***
Arbeitsrecht und Zeitarbeit
Urteil des BAG vom 19.09.2007, Akz: 4 AZR 656/06:
Im Bereich der Leiharbeit gibt es für Zeitarbeitsfirmen ein
Diskriminierungsverbot. Das "Equal Pay"- Gebot
verpflichtet Arbeitgeber, die angestellte Arbeitnehmer an andere Unternehmen
verleihen, diesen die gleiche Entlohnung (auch Sondervergütungen und
Prämien) zu zahlen, die sie bei dem Entleiherbetrieb erhalten würden.
Ausnahme: auf Grund eines Tarifvertrages ist für das
Leiharbeitsverhältnis eine niedrigere Vergütung vorgesehen. Dies gilt
auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die die
Anwendung des Tarifvertrages über arbeitsvertragliche
Verweisungsklausel vereinbaren. Will der Leiharbeitnehmer nun seinen
Arbeitgeber auf eine solche vergleichbare Vergütung verklagen, so
genügt er zunächst seiner gerichtlichen Darlegungs- und Beweislast,
wenn er eine Auskunft der Entleiherfirma über den dort gezahlten
Vergleichslohn vorlegt. Der Leiharbeitgeber muss dann diese Auskunft (eventuell
auch die Vergleichbarkeit der Tätigkeit) substantiiert bestreiten.