Beiträge zum Stichwort »Arbeitsrecht«
Kündigungsschutzprozess und Vergleich
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 23. Januar 2008, Akz:5 AZR
393/07:
Sachverhalt: Die Klägerin und der Arbeitgeber haben anlässlich eines
Kündigungsschutzprozesses im Dezember 2003 einen Vergleich mit folgendem
Inhalt abgeschlossen: „Das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis wird auf Grund fristgemäßer,
arbeitgeberseitiger Kündigung aus betriebsbedingten Gründen mit dem
31.03.2004 sein Ende finden. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das
Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet, wobei die
Klägerin ab 15.12.2003 unwiderruflich unter Fortzahlung der Bezüge
und unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche von der
Arbeitsleistung freigestellt wird.“
Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als sechs Wochen
arbeitsunfähig krank. Nach ihrer Behauptung hatte sie nach dem
Vergleichsabschluss ihre Arbeitsfähigkeit jedoch wiedererlangt (Anmerkung:
die Zahlungsplicht des Arbeitgebers endet nach dem EntgeltfortzahlungsG nach 6
Wochen ! Der Arbeitnehmer erhält dann Krankengeld nach § 47 SGB
V. Dieses beträgt 70 % des letzten Bruttogehaltes - höchstens 90
Prozent des Nettoeinkommens). Die Beklagte zahlte im Dezember 2003 keine und im
Januar 2004 nur eine anteilige Vergütung.
Vereinbaren die Parteien die unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von
der Arbeit
unter Fortzahlung seiner Bezüge, so führt die Auslegung dieser
Vereinbarung im Allgemeinen nur dazu, dass die Arbeitspflicht entfällt.
Ein Anspruch auf Arbeitsvergütung über die
gesetzlichen Grundlagen hinaus wird aber nicht begründet. Ist eine
entsprechende Zahlungspflicht des Arbeitgebers vorgesehen, so bedarf dies einer
ausdrücklichen Regelung. Eine solche Regelung wurde nicht
getroffen. Die Beklagte sollte lediglich ohne Rücksicht auf die
Freistellung „ordnungsgemäß abrechnen“ und schuldet
daher die Arbeitsvergütung nur bei Arbeitsfähigkeit der Klägerin
oder nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung. Auf
die Revision der Beklagten hat der Senat das Urteil des LAG aufgehoben und den
Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.
Mangelnde Arbeitsleistung
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 17. Januar 2008, Akz: 2 AZR
536/06:
Nach § 1 Abs. 2 KSchG kann die verhaltensbedingte Kündigung eines leistungsschwachen
Arbeitnehmers gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine
arbeitsvertraglichen Pflichten durch fehlerhafe Arbeit vorwerfbar verletzt. Ein
Arbeitnehmer genügt seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener
Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit
arbeitet.
Alleine die Tatsache, dass der Arbeitnehmer die durchschnittliche
Fehlerhäufigkeit aller anderen vergleichbaren Mitarbeiter
überschreitet, stellt noch keinen Verstoß gegen seine
Arbeitspflichten dar. Die längerfristige deutliche Überschreitung der
durchschnittlichen Fehlerquote kann je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art,
Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung allerdings ein Anhaltspunkt
für die vorwerfbare Verletzung seiner vertraglichen Pflichten sein. Legt
der Arbeitgeber die längerfristigen, erheblich unterdurchschnittlichen
Leistungen des Arbeitnehmers im Gerichtsprozess dar, so muss der Arbeitnehmer
erläutern, dass er trotzdem seine Leistungsfähigkeit
ausgeschöpft hat.
Lehrer und Befristung
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 19. Dezember 2007, Akz: 5 AZR
260/07:
Die Klägerin arbeitete als angestellte Lehrkraft in Hessen. Das
Arbeitsverhältnis war befristet für den Zeitraum August 2004 bis Juli
2005. In diesem Zeitraum erhielt die Klägerin die
vertragsgemäße Vergütung - in den anschließenden
Schulsommerferien war sie arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld I
(Lehrkräfte ohne Befristung erhalten auch während der Schulferien die
volle monatliche Vergütung). Die Klägerin ist der Auffassung, das
beklagte Land sei verpflichtet, ihr auch für die Dauer der an das
Arbeitsverhältnis anschließenden unterrichtsfreien Zeit eine
Vergütung zu zahlen. Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und
Bundesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Nach § 4 Abs. 2
TzBfG darf ein Arbeitnehmer wegen der Befristung seines
Arbeitsverhältnisses nicht schlechter behandelt werden als ein
Arbeitnehmer mit unbefristetem Arbeitsvertrag. Ausnahme: sachliche Gründe
rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Eine schlechtere Behandlung
wäre z.B. eine geringere Bezahlung für die gleiche Arbeitsleistung im
Vergleich zu den Vollzeitbeschäftigten oder das Vorenthalten von
Vergünstigungen wegen der Befristung. Eine schlechtere Behandlung der
befristet angestellten Lehrer liegt nach Ansicht des BAG nicht vor, denn
Lehrkräfte - deren Arbeitsverhältnis während des laufenden
Schuljahres endet - erhalten auch keine Vergütung für Ferien nach dem
Ausscheiden aus dem Schuldienst. Ebenso wenig liegt eine Schlechterstellung im
Vergleich zu Lehrern vor, deren Arbeitsverhältnis über das Ende des
Schuljahres hinaus fortbesteht, weil deren Arbeitspflicht in der
unterrichtsfreien Zeit nicht entfällt - ↓↓
Das beschriebene Verfahren ist mittlerweile gängige Praxis bei den
Schulämtern.
Abfindungsangebot nach § 1a KSchG
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 13. Dezember 2007, Akz:2 AZR
971/06:
Sachverhalt: Die Klägerin war seit 1999 im Unternehmen
tätig. Nach Beendigung der Elternzeit unterbreitete man ihr ein Abfindungsangebot. Die Parteien
verhandelten zunächst ergebnislos über die Beendigungsvereinbarung
und im März 2005 wurde dann die Kündigung - mit einem
Abfindungsangebot nach § 1a KSchG - ausgesprochen. Die Klägerin
reichte hiergegen Kündigungsschutzklage ein - allerdings
gerichtet gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Sie hat daraufhin die
Klage zurückgezogen und erneut Kündigungsschutzklage gegen die
Beklagte (verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung)
erhoben. Auch die zweite Klage wurde zurückgenommen.
§ 1a KSchG: der Arbeitnehmer hat Anspruch auf
Zahlung einer Abfindung, wenn der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher
Erfordernisse kündigt und der Arbeitnehmer gegen die
Kündigung nicht innerhalb von drei Wochen Klage einreicht. Ein solcher
Anspruch besteht jedoch nur dann, wenn der Arbeitgeber im
Kündigungsschreiben auf diese Anspruchsvoraussetzungen hinweist. Diese
Vorschrift soll gerichtliche Auseinandersetzungen über die Wirksamkeit von
Kündigungen möglichst vermeiden und die außergerichtliche
Erledigung des Rechtstreites fördern. Wird jedoch trotzdem
Kündigungsschutzklage eingereicht, so schließt diese Klage ebenso
wie ein Antrag auf nachträgliche Klagezulassung einen solchen
Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG endgültig aus (auch wenn der
Arbeitnehmer seine Klage oder seinen Antrag auf nachträgliche
Klagezulassung wieder zurücknimmt).
Abmahnung und Kündigung
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 13. Dezember 2007, Akz: 6 AZR
145/07:
1. Ein Arbeitgeber, der den Mitarbeiter wegen einer Pflichtverletzung abmahnt,
verzichtet damit zugleich auf sein Recht zur Kündigung wegen dieses
abgemahnten Pflichtverstoßes. Wenn der Arbeitgeber in einem engen
zeitlichen Zusammenhang mit der Abmahnung kündigt, so spricht dies
dafür, dass die Kündigung gerade wegen der abgemahnten
Pflichtverletzung erfolgt. Den Arbeitgeber trifft dann die Darlegungslast, dass
ihn andere Gründe zur Kündigung des Arbeitnehmers bewogen
haben.
2. Ein Angestellter des Arbeitgebers, der auf einem Briefbogen mit dem
Briefkopf des Arbeitgebers eine Kündigung ausspricht, handelt i.d.R. als
Vertreter des Arbeitgebers und nicht als dessen Bote (Gilt auch, wenn der
Zusatz i.A. vor der Unterschrift steht).
Bonus und Schadensersatz
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 12. Dezember 2007, Akz: 10 AZR
97/07:
Ein Arbeitnehmer hat Anspruch auf Schadensersatz gegen den Arbeitgeber,
wenn
1. der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag Anspruch auf einen Bonus hat, wenn er die von den
Arbeitsvertragsparteien gemeinsam für jedes Geschäftsjahr gesondert
festzulegenden Ziele erreicht und
2. wenn eine solche
Zielvereinbarung aus Gründen, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, nicht
getroffen wird.
Nach Ablauf des Geschäftsjahres (für das die Bonuszahlung zugesagt
war) ist die Vereinbarung von Zielen nicht mehr zulässig. Die vereinbarte
Bonuszahlung ist Grundlage für die Ermittlung des dem Arbeitnehmer zu
ersetzenden Schadens.
Verdachtskündigung
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 29. November 2007, Akz: 2 AZR
724/06:
Eine außerordentliche Kündigung aus
wichtigem Grund kann gerechtfertigt sein, wenn der auf Tatsachen beruhende
Verdacht besteht, dass der Mitarbeiter mit Fahrzeugen des Arbeitgebers zu
Lasten von dessen Haftpflichtversicherung Schäden verursacht hat und dies
in Absprache mit den Unfallgegnern geschehen ist. Eine derartige
Verdachtskündigung setzt aber voraus, dass starke
Verdachtsmomente vorliegen, die auf "objektiven Tatsachen" beruhen.
Zudem müssen diese geeignet sein, das für die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers zu
zerstören. Der Arbeitgeber muss ferner alle zumutbaren Anstrengungen zur
Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben - insbesondere muss er dem
Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.
Beriebliche Altersversorgung
Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 13. November 2007, Akz: 3 AZR
191/06:
§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB: Rechte und Pflichten aus
einem Arbeitsverhältnis, die durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder
einer Betriebsvereinbarung geregelt werden,
werden bei einem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit
dem Betriebserwerber.
§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB: Das gilt nicht, wenn die
Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bei dem neuen
Betriebsinhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages oder durch eine
andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Aber:
tarifvertraglich begründete Ansprüche auf Leistungen der
betrieblichen Altersversorgung werden nicht durch eine beim Erwerber geltende
Betriebsvereinbarung abgelöst. Sinn und Zweck des § 613a BGB ist
es, den Mitarbeitern bei einem Betriebsübergang die bisherigen
Arbeitsbedingungen zu erhalten.
Flugbegleiter und anwendbares Recht
Urteil des BAG vom 13.11.2007, Akz: 9 AZR 134/07:
Ein Vertrag unterliegt grundsätzlich dem von den Parteien gewählten
nationalen Recht (§ 27 Abs. 1 EGBGB). Diese Rechtswahl darf dem
Arbeitnehmer jedoch nicht den Schutz zwingender Bestimmungen des nationalen
Rechts entziehen, welches ohne die Rechtswahl anzuwenden wäre (Art. 30
Abs. 1 EGBGB). Dabei ist entscheidend, ob das Arbeitsverhältnis engere
Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist (Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB).
Zum Sachverhalt: Die Klägerinnen sind deutsche
Staatsangehörige, die seit mehreren Jahren als Flugbegleiterinnen bei
einer US-amerikanischen Fluggesellschaft beschäftigt sind. Zu Beginn Ihrer
Tätigkeit haben diese eine - von der Beklagten in englischer Sprache
formulierte - Urkunde unterschrieben. Für Streitigkeiten sollte
ausschließlich die Gerichtsbarkeit der USA zuständig sein mit
anwendbarem Recht des Staates Illinois. Betreut wurden die Flugbegleiterinnen
jedoch von der „Base“ der Beklagten in Frankfurt am Main. Die
Beklagte lehnte die Anträge auf Verringerung der Arbeitszeit ab (§ 8
TzBfG). Beide Vorinstanzen haben die Klagen noch abgewiesen - das BAG hat diese
Entscheidungen aufgehoben und die Sachen zur erneuten Verhandlung an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das LAG hat daher zu prüfen, ob
deutsches Recht anzuwenden ist.
Sicherheitsvorschriften und Kündigung
Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 14.08.2007 - 5 Sa 150/07:
Hält ein Mitarbeiter elementare Sicherheitsvorschriften des Arbeitgebers
zum Gesundheitsschutz nicht ein und verursacht er damit eine Gefährdung
für sich und andere Kollegen, so riskiert er eine fristlose
Kündigung. Da es sich regelmäßig um eine erhebliche
arbeitsvertragliche Pflichtverletzung handelt, ist eine Abmahnung nicht erforderlich.