Beiträge zum Stichwort »Arbeitsrecht«
Arbeitszeugnis und Schadensersatz
Urteil des LAG Schleswig-Holstein, Akz: 1 Sa 370/08:
Die Haftung für ein zu spät erstelltes Arbeitszeugnis erfordert eine
vorausgehende Mahnung des zeugnispflichtigen Arbeitgebers. Wird der
Arbeitnehmer bei einer Bewerbung um Vorlage seines letzten Arbeitszeugnisses
gebeten, dann sollte die Erteilung des AZ beim letzten Arbeitgeber
unverzüglich - aus Beweisgründen am besten schriftlich - angemahnt
werden. Unterbleibt die Ermahnung des ehemaligen Arbeitgebers, dann können
im Fall der Absage durch den potentiellen neuen Arbeitgeber
Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sein.
Lohnwucher
Urteil des BAG vom 22.04.2009, Akz: 5 AZR 436/08:
Ein Rechtsgeschäft ist gem. § 138 Abs. 2 BGB nichtig, wenn der
Arbeitgeber - unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des
Mangels an Urteilsvermögen des Arbeitnehmers - eine Entlohnung
gewährt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der
Arbeitsleistung steht. Das Bundesarbeitsgericht geht von einem auffälligen
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung aus, wenn die
Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und
Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht.
Maßgebend ist dabei der Vergleich mit der tariflichen Stunden- oder
Monatsvergütung ohne Zulagen und Zuschläge. Die besonderen
Umstände des Falles sind zu berücksichtigen. Eine bei Abschluss des
Arbeitsvertrags (noch) nicht zu beanstandende Vergütung kann durch die
Entwicklung des Tariflohns wucherisch werden. Zum Sachverhalt:
Die Klägerin war seit 1992 in dem Gartenbaubetrieb des Arbeitgebers als
ungelernte Hilfskraft beschäftigt und erhielt einen Stundenlohn von
zunächst 6,00 DM netto und später 3,25 Euro netto. Die Klägerin
verlangte für die Zeit von Dezember 1999 bis Mai 2002 wegen Lohnwuchers eine Nachzahlung von 37.000,-
Euro entsprechend der tariflichen Vergütung.
Fortbildungskosten und Erstattungspflicht
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 14. Januar 2009, Akz: 3 AZR 900/07:
Vertragliche Klauseln, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Fortbildungskosten verpflichten,
unterliegen der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Ist eine zu
lange Bindungsdauer vereinbart, führt dies
grundsätzlich zur Unwirksamkeit der
Rückzahlungsklausel insgesamt und auch ein Rückzahlungsanspruch des
Arbeitgebers besteht dann nicht mehr. Die Klage des Arbeitgebers auf
Rückzahlung der Fortbildungskosten blieb vor dem Bundesarbeitsgericht wie
auch in den Vorinstanzen erfolglos. Im zu entscheidenden Fall hatte der
Arbeitgeber (statt einer möglicherweise zulässigen Bindung von zwei
Jahren) eine unzulässige Bindung von fünf Jahren vereinbart.
Kündigung wegen Mekka-Fahrt
Urteil des Arbeitsgerichtes Köln vom 12.08.2008, Akz: 17 Ca 51/08:
ein eigenmächtiger, nicht genehmigter Urlaub rechtfertigt in aller Regel
eine fristlose Kündigung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann jedoch
eingreifen, wenn der Arbeitgeber den Urlaub "wegen der religiösen
Ausrichtung" des Arbeitnehmers im Rahmen einer Interessensabwägung
hätte genehmigen müssen. Sachverhalt: Die
Klägerin war bei der Stadt Köln als Schulbusbegleiterin für
behinderte Kinder beschäftigt. Um an einer Pilgerreise nach Mekka
teilnehmen zu können, beantragte Sie beim Schulamt außerhalb der
Schulferien Urlaub. Trotz der Ablehnung des Schulamtes
nahm sie an der Pilgerreise teil - die Stadt kündigte daraufhin.
Nach Auffassung des Gerichts sei im Rahmen einer hier erforderlichen
Interessenabwägung die Kündigung aber nicht gerechtfertigt. Der
Klägerin sei einzuräumen, dass sie sich in einem Glaubens- und
Gewissenkonflikt befunden habe, den sie aus nachvollziehbaren Gründen
nicht anders als durch den Antritt der Pilgerreise habe lösen können.
Rechtsschutzversicherung und Eintrittspflicht
Urteil des BGH vom 19.11.2008, Akz: IV ZR 305/07:
im vorliegenden Fall wurde einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die
Kündigung angedroht, falls er den Aufhebungsvertrag nicht sofort
unterzeichnet. Der Kläger beauftragte sodann eine Rechtsanwältin mit
der Geltendmachung seiner Rechte. Die Rechtschutzversicherung des Arbeitnehmers
wollte die außergerichtlichen Kosten des juristischen Beistandes
allerdings nicht übernehmen. Die Rechtschutzversicherung unterlag in allen
Instanzen. Die ernsthafte Androhung einer Kündigung reicht nach Ansicht
des BGH aus, um vom Eintritt eines Rechtschutzfalles auszugehen - Hintergrund der Weigerung der Rechtschutzversicherung: der
Rechtschutz im Arbeitsrecht ist sehr kostenintensiv !!
Verdachtskündigung
Urteil des LAG Berlin vom 24.02.2009, Akz: 7 Sa 2017/08:
Die als Kassiererin beschäftigte Klägerin hat - nach Überzeugung
des Gerichtes - Leergutbons im Werte von 0,48 und 0,82 Cents
unrechtmäßig aus dem Kassenbüro entnommen und
eingelöst.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat im Kündigungsrechtsstreit die fristlose
Kündigung als rechtmäßig bezeichnet (ebenso wie das
Arbeitsgericht in erster Instanz). Das Verhalten der Klägerin stellt nach
Auffassung des Berufungsgerichts einen wichtigen Grund im Sinne des § 626
Abs. 1 BGB dar. Es sei dem Arbeitgeber daher unzumutbar, die Klägerin bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen - ↓↓ es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht die
Revision zulässt. Allerdings wird eine gravierende Schwäche der
Verdachtskündigung deutlich. Wie auch im vorliegenden Fall werden
häufig gerade diejenigen Arbeitnehmer Zielpersonen einer
Verdachtskündigung, die entweder einen besonderen Kündigungsschutz
genießen oder aber aufgrund des allgemeinen Kündigungsschutzes -
z.B. wegen der langen Betriebszugehörigkeit - quasi unkündbar sind
oder eine sehr hohe Abfindung zu erwarten haben. "Honni soit qui mal y pense; ein Schelm, wer Böses
dabei denkt.“
Kündigung in der Elternzeit
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 26. Juni 2008, Akz: 2 AZR 23/07:
gem. § 18 BEEG ist eine Kündigung während der Elternzeit (mit Ausnahmefällen !)
unwirksam.
Allerdings kann sich nur derjenige auf den besonderen Kündigungsschutz
berufen, der die Voraussetzungen der Elternzeit erfüllt. Die Elternzeit
muss u.a. gem. § 16 BEEG schriftlich vom Arbeitgeber verlangt werden.
Das BAG hat entschieden, dass die Schriftform nicht nur klarstellenden
Charakter hat, sondern eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die
Inanspruchnahme von Elternzeit ist. Eine Arbeitnehmerin, die die Elternzeit
nur mündlich beantragt hat, kommt daher
grundsätzlich nicht den Genuss des besonderen
Kündigungsschutzes. Gewährt der Arbeitgeber allerdings die
Elternzeit (wurde im vorliegenden Fall dadurch deutlich, dass der
Beklagte den Sachverhalt der Krankenkasse mitteilte), so kann er sich
später nicht auf die Verletzung der Schriftform berufen. Dieser Vortrag
stellt sich dann als widersprüchliches Verhalten dar und bleibt als
rechtsmißbräuchlicher Einwand unbeachtlich.
Betriebliche Altervorsorge
Urteil des BAG vom 28.10.2008, Akz: 3 AZR 317/07: wenn die formalen Kriterien für eine betriebliche Altersversorgung nach § 1 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) vorliegen, dann treten auch die Folgen aus einer betrieblichen Altersversorgung ein. Unerheblich ist dagegen, wie die Leistung benannt oder aus welchen Gründen die Leistung gewährt wird.
Abmahnung und ungenaue Formulierung
Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 02.07.2008, Akz: 7 Sa 68/08:
enthält eine Abmahnung unrichtige Tatsachenbehauptungen, die den
Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigen können
oder ist die Abmahnung inhaltlich nicht ausreichend bestimmt, so kann der
Arbeitnehmer die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Dies
gilt bei mehreren Pflichtverletzungen des ArbN auch dann, wenn nur eine dem
ArbN zur Last gelegten Pflichtverletzung nicht zutrifft.
Arbeitszeugnis und Berichtigungsanspruch
Urteil des BAG vom 12.08.2008, Akz: 9 AZR 632/07:
Zeugnisrechtsprechung und unzulässige Geheimzeichen: Ist
es in einer Branche üblich, bestimmte Leistungen oder Eigenschaften des
Arbeitnehmers im Zeugnis besonders zu erwähnen, so ist die Auslassung der
Erwähnung regelmäßig ein versteckter Hinweis für den
Leser. Es ensteht dadurch der Eindruck, der Arbeitnehmer sei in diesem Merkmal
unterdurchschnittlich oder allenfalls durchschnittlich zu bewerten - sog.
beredtes Schweigen. Es besteht dann ein Anspruch des Arbeitnehmers (Grundsatz
von Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit) auf Erteilung einer korrigierten
Zeugnisversion.