Beiträge zum Stichwort »Arbeitsrecht«
Altersgrenzen bei Arbeitnehmern
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 17.06.2009, Az: 7 AZR 112/08:
Sachverhalt: die 1946 und 1947 geborenen Kläger sind bei der Beklagten
langjährig als Piloten beschäftigt. Die Arbeitsverhältnisse der
Arbeitnehmer enden aufgrund tarifvertraglicher Klausel mit Ablauf des Monats,
in dem die Piloten das 60. Lebensjahr vollenden. Die Kläger halten die
tarifliche Altersgrenzenregelung für unwirksam, da sie eine
unzulässige Diskriminierung des Arbeitnehmers wegen des Alters
darstelle.
Das BAG hat dem EuGH (Europäischer Gerichtshof) um eine Vorabentscheidung
zur Vereinbarkeit einer tariflichen Regelung über eine Altersgrenze von 60
Jahren für Piloten mit Gemeinschaftsrecht ersucht.
Das BAG hat bisher tarifliche Altersgrenzen von 60 Jahren für Piloten in
ständiger Rechtsprechung für wirksam gehalten. Aufgrund des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der bisherigen Rechtsprechung des
EuGH (s. Rechtsprechung zum Verbot der Diskriminierung wegen des Alters) ist es
fraglich, ob das BAG seine bisherige Rechtsprechung aufrechterhalten
wird.
Betriebsrat und Arbeitsvertrag
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 23.04.2009, Az: 6 AZR 263/08:
Entscheidung: Ein Regelung im Arbeitsvertrag, nach der der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer nur mit Zustimmung des Betriebsrat kündigen, kann ist
unwirksam. Die Erweiterung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats kann
immer nur über Betriebsvereinbarungen erfolgen und nicht
durch einzelne Arbeitsverträge. Dies folgt aus § 102 Abs. 6 BetrVG
und dem Sinn und Zweck des BetrVG. Es würde der Betriebsverfassung
widersprechen, wenn die Arbeitsvertragparteien in einem einzelnen
Arbeitsvertrag Erweiterungen von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats
vereinbaren könnten. Eine derartige Regelung kann immer nur von den
Betriebsverfassungsparteien, und nicht etwa durch die Arbeitsvertragsparteien
getroffen werden. Im vorliegenden Fall war die Kündigung daher nicht
mangels Zustimmung des Betriebsrats unwirksam.
Arbeitszeugnis - Österreich - Schweiz
Rechtsanwalt Christian Sehn:
Österreich: Der Zeugnisanspruch des
Arbeitnehmers ergibt sich in Österreich aus § 1163 ABGB. Arbeitnehmer
haben nur Anspruch auf ein einfaches Zeugnis und nicht auf ein qualifiziertes
Arbeitszeugnis. Der Anspruch der Führungskräfte ergibt sich aus
§ 39 Angestelltengesetz.
Schweiz: In der Schweiz besteht ein gesetzlicher Anspruch auf
ein qualifiziertes Zeugnis, in dem auch Leistung und Sozialverhalten beurteilt
wird, gem. Artikel 330 a Schweizerisches Obligationenrecht - gerade bei Arbeitszeugnissen sind die regionalen, sprachlichen
Unterschiede unbedingt zu beachten. Die Grundsätze, die für deutsche
Arbeitszeugnisse gelten, müssen nicht zwangsläufig auch für die
Arbeitszeugnisse schweizerischer oder österreichischer Unternehmen gelten.
Deutsche Arbeitnehmer in der Schweiz und Österreich sollten bei der
Überprüfung des Arbeitszeugnisses die feinen Nuancen des
"Österreichischen" und "Schweizerischen" beachten.
Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 19.05.2009, Az: 9 AZR 477/07:
Sachverhalt: der Kläger ist seit 1999 bei seinem jetzigen
Arbeitgeber beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der MTV
(Manteltarifvertrag) für die Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie
in Rheinland-Pfalz anzuwenden. Er hat also danach Anspruch auf ein
zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 60 % des
regulären Urlaubsentgelts. Der Kläger ist seit Februar 2005 bis
März 2006 arbeitsunfähig erkrankt. Er verlangt mit der Klage von
seinem Arbeitgeber die Zahlung des tariflichen Urlaubsgeldes für das Jahr
2005.
Entscheidung: das BAG hat die klageabweisenden Entscheidungen
der Vorinstanzen bestätigt. Der Anspruch auf Urlaubsgeld ist auch für
den trotz Arbeitsunfähigkeit des Klägers fortbestehenden gesetzlichen
Urlaubsanspruch aus dem Jahre 2005 derzeit nicht begründet. Die Beklagte
schuldet deshalb keine Urlaubsvergütung, da dem Kläger bisher kein
Urlaub gewährt wurde. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers
besteht ebenfalls nicht, da das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht
beendet ist.
Hinweis: Die Ansprüche auf Gewährung und Abgeltung
des gesetzlichen Urlaubs erlöschen nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum
Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums sowie darüber
hinaus arbeitsunfähig erkrankt ist (§ 7 Abs. 3, Abs. 4 BUrlG).
Ist ein tarifliches Urlaubsgeld mit der Urlaubsvergütung verknüpft
(akzessorisch), ist es erst dann zu zahlen, wenn auch ein Anspruch auf
Urlaubsvergütung fällig ist - Die
Begrifflichkeiten Urlausentgelt, Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung werden hier
erklärt -
Link zum Thema -
Rauchfreier Arbeitsplatz
Urteil des BAG vom 19.05.2009, Az: 9 AZR 241/08:
Der Kläger ist Croupier an einem Spieltisch/Roulettetisch eines Spielsaals
in Berlin. Im gesamten Spielsaal wurde geraucht. Der Kläger klagte auf
Zuweisung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes. Die Vorinstanzen hatten die
Klage noch abgewiesen. Das BAG dagegen hat ihr stattgegeben. Der Anspruch des
Klägers beruhe auf § 618 Abs. 1 BGB und § 5 ArbStättV
(Arbeitsstättenverordnung). Der Arbeitgeber habe Räume, Vorrichtungen
oder Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten, dass der
Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leben und Gesundheit geschützt ist.
Abfindung und Steuerrecht
Rechtsanwalt Christian Sehn:
- Seit dem 01.01.2006 sind Abfindungen für den Verlust des
Arbeitsplatzes vollständig zu versteuern.
- Abfindungen sind dagegen sozialversicherungsfrei. Dies gilt allerdings nicht,
sofern vertraglich vereinbartes Arbeitentgelt nur als Abfindung deklariert ist
!
- Der Fiskus erlaubt bei Abfindungszahlungen allerdings die Anwendung der
Fünftelregelung.
Aufgrund der Steuerprogression kommt es ohne die Fünftelregelung und deren
Begünstigung zu einer hohen Steuerbelastung. Die Fünftelregelung soll
hierfür einen Ausgleich schaffen (Achtung: um von dieser
Regelung profitieren zu können, muss die Abfindung komplett oder in Raten
in einem Kalenderjahr gezahlt worden sein, etc.)
Daneben gibt es einen weiteren Weg die Steuerlast der
Abfindungen zu senken. Es ist möglich, die Abfindung ganz oder teilweise
in eine Direktversicherung einfließen zu lassen. Daraus
ergibt sich dann eine Pauschalbesteuerung von 20 Prozent nebst
Solidaritätszuschlag (und eventuell Kirchensteuer, sofern
Kirchensteuerpflicht besteht).
Urlaub und Teilurlaub im Arbeitsverhältnis
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.03.2009, Az: 9 AZR 983/07 (Vorinstanz Landesarbeitsgericht Köln; Urteil vom 29.08.2007, Az: 7 Sa 673/07) zum Thema Urlaubsabgeltungsanspruch: Der Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Voll- oder Teilurlaubs erlischt nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/ oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist. § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG ist im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern nach den Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/ 88/ EG gemeinschaftsrechts-konform fortzubilden - wichtiges Urteil ! Der entscheidende Senat des BAG gibt damit seine entgegenstehende bisherige Rechtsprechung auf.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Urteil des BAG vom 14.01.2009, Az: 5 AZR 89/08, Fundstelle (Der Betrieb 2009,
909):
Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag einen Zuschlag für Sonn- und
Feiertagsarbeit vereinbart. Der Arbeitnehmer verlangte nun aufgrund seiner
Erkrankungen im Rahmen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
auch Sonn- und Feiertagszuschläge. Der Arbeitgeber war der Auffassung,
dass die Zuschläge nur einen Aufwendungsersatz oder eine
Einsatzprämie darstellen. Er verweigerte deshalb die Zahlung. Nach Ansicht
des Bundesarbeitsgerichtes sichert das Entgeltausfallprinzip dem Arbeitnehmer
grundsätzlich die volle Vergütung - einschließlich etwaiger
Zuschläge - zu. Bei den Sonn- und Feiertagszuschläge handelt es sich
um zusätzliche Gegenleistungen für besonders belastende Arbeit. Sie
sind damit Arbeitsentgelt und auch bei der Lohnfortzahlung zu
berücksichtigen.
Überstunden und Vergütung
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.10.2008, Az: 6 Sa 390/08
(Vorinstanz Arbeitsgericht Mainz, Az: 6 Ca 1645/07 vom 08.06.2008):
klarstellendes Urteil zum Thema Überstunden: der Arbeitgeber muss
Überstunden nur vergüten, wenn er sie angeordnet,
gebilligt oder geduldet hat oder sie
jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig
waren. Die Klage des Arbeitnehmers wurde in beiden Instanzen abgewiesen
- häufig anzutreffender Fehler des Arbeitnehmers. Es
werden Überstunden in hoher Anzahl angesammelt. In den meisten Fällen
können die Überstunden nur pauschal behauptet und nicht anhand von
Aufzeichnungen nach Ort, Datum, Uhrzeit und Dauer bewiesen werden.
Fristlose Kündigung wegen Diebstahl
Der Spiegel hat am 14.05.2009 über diesen Fall berichtet: Der Angestellte einer Abfall-Entsorgungsfirma hatte im Müllcontainer ein entsorgtes Kinderbettchen gefunden und dieses an sich genommen. Der Inhalt des Müllcontainer wird normalerweise auf ein Fließband befördert und wandert anschließend in die Müllpresse. Der Arbeitgeber sah in diesem Vorgang ein "Diebstahl von Firmeneigentum" und kündigte fristlos. Die 15. Kammer des Arbeitsgerichts Mannheim befasst sich nun unter dem Aktenzeichen: 15 Ca 278/08 mit dieser Kündigungsschutzklage. Der Prozess wird im Juli fortgesetzt.