Beiträge zum Stichwort »Arbeitsrecht«
Urlaubsabgeltung und Schwerbehinderung
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 23.03.2010, Az: 9 AZR 128/09:
Scheidet ein schwerbehinderter Arbeitnehmer arbeitsunfähig aus dem
Arbeitsverhältnis aus, so hat der Arbeitgeber auch den gesetzlichen
Zusatzurlaub von fünf Tagen abzugelten. Im vorliegenden Fall hatte ein
Schwerbehinderter geklagt, da der Arbeitgeber ihm nur den Mindesturlaub
finanziell vergüten wollte. Nach Aufassung des BAG unterliegt der Anspruch
auf Abgeltung des Zusatzurlaubes für Schwerbehinderte dem rechtlichen
Schicksal des Mindesturlaubes und war daher abzugelten -
s. auch Urteil des EuGH vom 20.01.2009.
Rückzahlung von Fortbildungskosten
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 15.09.2009, AZR 173/08.
Verpflichtet sich der Arbeitnehmer erst nach Abschluss einer
Fortbildungsmaßnahme unter bestimmten Bedingungen zur Rückzahlung
der entstandenen Fortbildungskosten, so unterliegt auch diese Vereinbarung der
Inhaltskontrolle nach den Regelungen über die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (§ 305 ff. BGB). Die Kosten für die
Fortbildung können vom Arbeitgeber nur zurückgefordert werden, wenn
die Ausbildung für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist und die
Bindungsdauer an das Unternehmen nicht unangemessen lang ist. Ist die
Bindungsdauer zu lang, dann führt dies zur Unwirksamkeit der gesamten
Rückzahlungsklausel.
Fristlose Kündigung und Sperrzeitbescheid
Arbeitsrecht Mannheim/Rechtsanwalt Christian Sehn:
In der letzten Zeit häufen sich die Fälle grundloser
fristloser Kündigungen. Hiergegen sollte auf jeden Fall das Arbeitsgericht
angerufen werden, da ansonsten mit erheblichen Verzögerungen bei der
Bewilligung von Arbeitslosengeld und i.d.R. mit der Verhängung einer
Sperrzeit beim Arbeitslosengeld gerechnet werden muss -
hier sollte insbesondere nicht darauf vertraut werden, dass die
Arbeitsagenturen den Sachverhalt schon zu Gunsten des gekündigten
Arbeitnehmer klären werden. Notfalls gegen den Sperrzeitbescheid
Widerspruch und gegebenfalls Klage einreichen.
Abfindung und unwahre Kündigungsgründe
Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 15.09.2009, Az: 2 Sa 105/09
Die Klägerin war als Altenpflegerin in einem Seniorenwohnheim tätig.
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit der nachweislich
unzutreffenden Begründung, die Arbeitnehmerin habe eine an Parkinson
leidende Heimbewohnerin gerempelt, dadurch zu Fall gebracht und dann
anschließend hilflos liegen lassen. Gegenüber dem Betriebsrat
äußerte der Arbeitgeber, dass ein derartiges Verhalten einer
Mitarbeiterin auf einer Pflegestation nicht tragbar sei.
Der Arbeitgeber relativierte in der ersten Instanz - im
Kündigungsschutzverfahren - seinen Vortrag dahingehend, dass die
gekündigte Mitarbeiterin die Bewohnerin lediglich „gestreift“
habe und sich anschließend nicht ausreichend um die gestürzte Person
„gekümmert“ habe.
Auf Antrag der Klägerin hat das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis
gegen Zahlung einer Abfindung aufgehoben. Das Landesarbeitsgericht hat das
Urteil in der Berufungsinstanz bestätigt. Die Kündigung war mangels
Abmahnung und langer beanstandungsfreier Tätigkeit der Klägerin
rechtswidrig. Der Auflösungsantrag gegen Zahlung einer Abfindung war
ebenfalls begründet. Die Vorwürfe des Arbeitgebers wurden zwar
teilweise zurückgenommen, jedoch waren seine Anschuldigungen haltlos und
ehrverletzend. Unter diesen Umständen war der Klägerin eine
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Es bestand außerdem
die Befürchtung, dass sich ein derartiger Vorfall wiederholen könnte.
Sozialplan und AGG
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 26.05.2009, Az:1 AZR 198/08:
Nach Auffassung des BAG verstößt es nicht gegen das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wenn in einem Sozialplan eine Altersdifferenzierung
vorgenommen wird.
Sozialpläne dürfen eine nach Lebensalter oder
Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen. Sie
dürfen für rentenberechtigte Arbeitnehmer Leistungen aus dem
Sozialplan reduzieren oder ganz ausschließen. Die damit verbundene
unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist durch § 10 AGG
gerechtfertigt. § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG verstößt auch nicht gegen
das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Die Regelung ist
entsprechend Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG durch ein vom
nationalen Gesetzgeber verfolgtes legitimes Ziel gerechtfertigt.
"Flashmob"-Aktionen
Urteil des BAG 22.09.2009, Az: 1 AZR 972/08:
Sachverhalt: Der Kläger ist ein Arbeitgeberverband im
Raum Berlin-Brandenburg. Dieser führte 2007 mit der beklagten Gewerkschaft
Tarifverhandlungen. Der Landesbezirk der Gewerkschaft Berlin-Brandenburg
veröffentlichte auf seiner Homepage ein Aufruf, in dem u.a.
heißt:
"Hast du nicht Lust, dich an Flashmob-Aktionen zu beteiligen? Gib uns deine
Handy-Nummer und dann lass uns zu dem per SMS gesendeten Zeitpunkt zusammen in
einer bestreikten Filiale, in der Streikbrecher arbeiten, gezielt einkaufen
gehen, z.B. so:
- Viele Menschen kaufen zur gleichen Zeit einen Pfennig-Artikel und blockieren
damit für längere Zeit den Kassenbereich
- Viele Menschen packen zur gleichen Zeit ihre Einkaufswagen voll (bitte keine
Frischware!!!) und lassen sie dann stehen."
Am 8. Dezember 2007 kam es bei einem Mitglied der Klägerin zu einer
mindestens 45 Minuten dauernden "Flashmob"-Aktion, an der sich ca. 45 bis 50
Personen beteiligten. Von diesen wurden zum einen Pfennigartikel gekauft, zum
anderen etwa 40 Einkaufswagen größtenteils randvoll gefüllt und
sodann stehen gelassen. Eine Teilnehmerin begab sich mit einem mit
Kleinstartikeln gefüllten Wagen an die Kasse, ließ die Artikel im
Wert von 371,78 Euro eingeben und stellte den gefüllten Einkaufswagen an
der Kasse mit der Erklärung ab, sie habe ihr Geld vergessen. Dabei
klatschten andere Teilnehmer Beifall und gaben durch laute Rufe ihre Zustimmung
kund.
Entscheidungsgründe: Mit seiner Klage verlangt der
Kläger von der beklagten Gewerkschaft künftig derartige Aufrufe zu
unterlassen. Er ist der Auffassung, diese seien keine zulässigen
Streikmaßnahmen. Vielmehr handele es sich um rechtswidrige, mit
Betriebsblockaden und Betriebsbesetzungen vergleichbare Aktionen. Die Beklagte
meint, es handele sich um zulässige, der Betätigungsfreiheit nach
Art. 9 III GG unterfallenden Mittel des Arbeitskampfs. Das Bundesarbeitsgericht
ist der Auffassung, dass eine Gewerkschaftsaktion, bei der kurzfristig
aufgerufene Teilnehmer durch den Kauf geringwertiger Waren oder das
Befüllen und Stehenlassen von Einkaufswagen in einem
Einzelhandelsgeschäft eine Störung betrieblicher Abläufe
herbeiführen, als Arbeitskampfmittel nicht rechtswidrig
ist. Dem Arbeitgeber bleibe es unbenommen, sich durch die Ausübung
seines Hausrechts oder eine kurzfristige Betriebsschließung gegen diese
Aktionen zur Wehr zu setzen. Allerdings stellte das BAG ebenfalls klar, dass
eine derartige „Flashmob- Aktion“ in den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb des Arbeitgebers eingreift. Ein solcher Eingriff
kann aber aus Gründen des Arbeitskampfes gerechtfertigt sein - die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeberverband und
Gewerkschaft ist in Anbetracht der enormen Auswirkungen dieses
Flashmob-Aktionen mit Sicherheit noch nicht beendet.
Raucherpausen und Kündigung
Urteil des Arbeitsgerichtes Duisburg vom 14.09.2009, Az: 3 Ca 1336/09 zum Thema
Raucherpausen:
Die Klägerin war im Laufe des Kalenderjahres 2008 mehrfach abgemahnt
worden, weil sie sich Raucherpausen genommen hatte, ohne vorher auszustempeln.
Im Betrieb der Klägerin war verbindlich die Regelung getroffen worden,
dass bei einer Raucherpause vorher auszustempeln ist. Im Jahr 2009 wurde von
der Betriebsleitung festgestellt, dass die Klägerin an drei Tagen - ohne
vorherige Bedienung des Zeiterfassungsautomaten - Raucherpausen genommen hatte.
Daraufhin wurde die fristlose Kündigung ausgesprochen. Nach Auffassung des
Gerichtes war aufgrund des wiederholten Verstoßes gegen die
Betriebsordnung die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses
zulässig. Auch der kurzzeitige Entzug der Arbeitsleistung sei eine
gravierende Vertragsverletzung, die das für die weitere Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis
zerstört.
"Gewerkschaft" CGZP
Arbeitsgericht Berlin:
Die Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und
Personalserviceagenturen (CGZP) ist nach Auffassung des Berliner
Arbeitsgerichtes wegen fehlender "Sozialmächtigkeit" nicht tariffähig
i.S. des Tarifvertragsgesetzes (TVG). - ***
diese Entscheidung könnte weitreichende Folgen haben,
sofern sie weiterhin Bestand hat. Nach dem "equal-pay" Gebot müssen die
Leiharbeitnehmer die gleiche Entlohnung erhalten, die den festangestellten
Arbeitnehmern zusteht. Dies bedeutet unter Umständen für die
betroffenen Arbeitnehmer Lohnnachzahlungen, die lediglich durch die
Verjährungsvorschriften begrenzt werden.
Fehlerhafte Abmahnung
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 23.06.2009, Az: 2 AZR 283/08:
Sachverhalt: der Kläger war seit 1965 bei der Beklagten
als Pressefotograf beschäftigt. In den Jahren 2001 und 2004 haben die
Parteien vor Gericht bereits über zwei Abmahnungen gestritten. Die
Unwirksamkeit dieser Abmahnungen wurde rechtskräftig festgestellt. Im Jahr
August 2005 folgte eine weitere Abmahnung, die das Landesarbeitsgericht
ebenfalls für unwirksam gehalten hat. Im November 2005 suchte der
Kläger sodann in seiner Eigenschaft als Pressefotograf den Ort eines
Eisenbahnunglücks auf. Auf Fragen der anwesenden Polizisten gab er sich
als Pressefotograf zu erkennen, verweigerte aber die Vorlage seines
Presseausweises. Da der Kläger den Unfallort nicht
aufforderungsgemäß verließ, sprach die Polizei einen
Platzverweis aus. Der Kläger leistete dieser Aufforderung sofort Folge.
Die zuvor von ihm gefertigten Aufnahmen wurden von der Beklagten
veröffentlicht. Die Polizei informierte den Arbeitgeber über den
Vorfall und betrachtete die Angelegnheit damit als erledigt. Der Arbeitgeber
allerdings sprach nach Anhörung und Zustimmung des Betriebsrats am
27.03.2006 eine ordentliche Kündigung zum 31.10.2006 aus.
Entscheidungsgründe: das BAG hat der - gegen die
Kündigung gerichteten - Kündigungsschutzklage stattgegeben. Ein
angestellter Pressefotograf einer Nachrichtenagentur ist in der
Öffentlichkeit zwar zu einem angemessenen Auftreten verpflichtet und darf
den Ruf und die Beziehungen des Arbeitgebers zu Kunden und Informanten nicht
durch sein Verhalten beschädigen. Eine ordentliche Kündigung des
Arbeitsverhältnisses wegen Verletzung dieser vertraglichen Pflicht kommt
allerdings nur in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer durch eine vergebliche
Abmahnung deutlich gemacht worden ist, welches Verhalten der Arbeitgeber vom
seinem Arbeitnehmer zukünftig konkret erwartet. Ferner muss aus der
Abmahnung wegen deren Warnfunktion deutlich werden, dass bei erneuter
Pflichtverletzung der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Urteil des Hessischen Landesarbeitsgericht vom 22.04.09, Az: 2 Sa
1689/08:
Eine tarifliche Regelung, in der die Höhe der Grundvergütung der
Beschäftigten nach Lebensaltersstufen gestaffelt wird, ist wegen
unmittelbarer Benachteiligung wegen des Alters gem. § 1 und § 3 AGG
unwirksam. Eine derartige Klausel ist nach Ansicht des Gerichtes ein
Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters. Im
vorliegenden Fall hatte ein 31-jähriger Angestellter des öffentlichen
Dienstes eine Vergütung gefordert, die der höchsten Lebensaltersstufe
in der tariflichen Gehaltsstaffelung vorbehalten war. Das Gericht ist der
Auffassung, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auch
jüngere Arbeitnehmer gegen Benachteiligungen im Verhältnis zu
älteren Beschäftigten schütze - die
Revision vor dem Bundesarbeitsgericht wurde durch das LAG im Urteil zugelassen
!