Beiträge zum Stichwort »Sozialrecht«
Urlaub von der Pflege
Sollten Sie sich ernsthaft mit dem Gedanken tragen, einen nahen Angehörigen zu pflegen, dann muss Ihnen von Anfang an klar sein, dass Pflege "Schwerstarbeit" bedeutet !! Nicht selten erleidet die Pflegeperson finanzielle Einbußen, massive Einschränkungen ihrer Freizeitgestaltung und eventuell sogar eigene gesundheitliche Nachteile. Wenn man jedoch felsenfest zur Pflege entschlossen ist, dann sollte man wenigstens in regelmäßigen Abständen an sich selbst denken. Der Gesetzgeber hat der pflegenden Person die Möglichkeit gegeben, Urlaub von der Pflege zu nehmen. Benötigt der Pfleger Urlaub oder ist er selbst krank, so kann er mit der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege die Pflege für maximal 4 Wochen an andere Pflegepersonen übergeben. Kosten hierfür - bis zu 1.432 € pro Jahr - trägt die Pflegekasse. Voraussetzung: vor der Verhinderung muss die zu pflegende Person in häuslicher Umgebung mindestens 12 Monate gepflegt worden sein + formloser Antrag bei der Pflegekasse/Krankenkasse.
Passivrauchen und Arbeitslosengeld
Urteil des Landessozialgerichtes Hessen, Akz: L 6 AL 24/05
Ein Arbeitnehmer, der durch seine Arbeitskollegen zum "Passivrauchen" gezwungen
wird, kann sein Arbeitsverhältnis ohne die Konsequenz einer
Sperrzeit aufkündigen. Voraussetzung dafür ist aber,
dass er beim Arbeitgeber auf Abhilfe des Problemes gedrängt hat. Eine
Sperrzeit hinsichtlich des Arbeitslosengeldes wegen absichtlicher
Herbeiführung der Arbeitslosigkeit ohne wichtigen Grund muss nicht
befürchtet werden. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber gesamten
Betrieb das Rauchen erlaubt und die Beschwerden des Klägers ignoriert.
Dieser kündigte daraufhin und erhielt prompt eine
Sperrfrist durch die Agentur für Arbeit. Seine Klage
hatte vor dem LSG Erfolg. Die Bundesagentur für Arbeit hat auf die
Einlegung einer Revision verzichtet.
SGB XI und Pflegstufe "0"
Pflegestufe "0" ist ein inoffizieller Begriff aus der sozialen
Pflegeversicherung. Man bezeichnet damit die Personen, deren
Pflegebedürftigkeit die Leistungsvoraussetzungen der
Pflegeversicherung nicht oder noch nicht erfüllen und die daher keinen
Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleistungen haben. Da die
Leistungshürden dieser Versicherungsart recht hoch sind, können
dies durchaus auch Personen mit erheblichem Krankheitsbild sein. Wer vom MdK (=
Medizinischer Dienst der Krankenkasse) mit "0" eingestuft wurde, kann:
1. Widerspruch und später Klage einreichen - oder
2. den Bescheid akzeptieren und später einen Antrag auf Neubegutachtung
stellen - oder
3. beim Sozialamt "Hilfe zur Pflege" beantragen !
Krankenkassenwechsel und Pflegeversicherung
Bitte beachten Sie:
Wenn Sie sich für eine Krankenkasse entschieden haben, dann sind sie
automatisch auch Mitglied der Pflegekasse dieser Krankenversicherung. Es ist
daher bei einem Krankenkassenwechsel Vorsicht geboten, wenn
ein Leistungsfall in der sozialen Pflegeversicherung eingetreten ist und
bereits Leistungen (z.B. Pflegegeld in der Pflegestufe 1) bezogen werden. Mit
dem Wechsel endet die Mitgliedschaft nicht nur bei der alten Krankenkasse,
sondern auch bei der bisherigen Pflegekasse !! Die "neue" Pflegekasse ist aber
nicht an die Entscheidung der "alten" Pflegekasse gebunden und kann daher das
Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen erneut überprüfen. Sie kann
dabei zu einem abweichenden Ergebnis kommen und die Leistungen streichen. Ein
gesetzlicher Vertrauensschutz existiert nicht. Von einem Wechsel sollte daher
abgesehen werden, wenn die Leistungsvorausetzungen nur knapp erreicht werden
(z.B. Grundpflege von 47 min/täglich in der PS 1)
Scheinselbständigkeit und Sozialversicherung
Urteil des Hessischen Landessozialgerichtes vom 19.10.2006, Akz: L 8/14 KR
1188/03
Fahrer des Paketdienstes "German Parcel" sind keine selbständigen
Unternehmer, sondern Beschäftigte in abhängiger Stellung. Sie
unterliegen der Sozialversicherungspflicht.
Zum Fall: Die Krankenkasse forderte nachträglich für einen
Transportfahrer Beiträge in Höhe von knapp 110.000 € von "German
Parcel". Das Unternehmen war der Ansicht, dass der Fahrer selbständiger
Unternehmer sei. Die Richter des LSG waren anderer Meinung, da der Fahrer
seinen PKW mit dem Schriftzug von "German Parcel" lackiert und die Kleidung des
Paketdienstes getragen habe. - **** Hintergrund dieser Entscheidung: Immer mehr Unternehmen bürden
das unternehmerische Risiko ihren Mitarbeitern auf und führen Sie z.B als
freie Mitarbeiter oder Subunternehmer. Dadurch befreien sich die Unternehmen
zunächst vom Arbeitgeberanteil in der Sozialversicherung, sehen sich nicht
mit Urlaubsansprüchen von Arbeitnehmern konfrontiert und wälzen zudem
das Krankheitsrisiko auf die Mitarbeiter ab, da es keine Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall gibt.
Kommunion, Konfirmation und Leistungskürzung
Die evangelische "Innere Mission München" hat vor Leistungskürzungen gewarnt, falls ein Empfänger von Arbeitslosengeld II wertvolle Geschenke erhält. Derzeit entscheidet der jeweilige Sachbearbeiter im Jobcenter darüber, ob finanzielle Zuwendungen auf das Sozialgeld der Kinder angerechnet werden. Abhängig sei dies von Höhe und Zweckbestimmung der Geschenke. Es wird Betroffenen deshalb zu zweckgebundenen Zuwendungen geraten. Der Verwendungszweck von Geldgeschenken sollte von Anfang an deklariert werden (z.B. Computer oder Führerschein). Schmuck dagegen kann als Vermögen angerechnet werden und müsste eventuell sogar verkauft werden.
ALG II und Hauptgewinn eines Gewinnspiel
Beschluss des Sozialgerichtes Dortmund vom 19.03.2007 - S 27 AS 59/07
ER
Ein Langzeitarbeitsloser, der in einem Gewinnspiel einen PKW gewinnt, hat
solange - bis der Wert des Wagens verbraucht ist - keinen Anspruch auf
Arbeitlosengeld II.
Zum Sachverhalt: Ein Familienvater aus Iserlohn hatte bei einer Baumarktkette
den Hauptgewinn eines Gewinnspiels - einen neuen VW Golf im Wert von 17.610,-
Euro - gezogen. Die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) hob daraufhin die Bewilligung
von Arbeitslosengeld II auf. Begründung: Der gewonnene PKW sei als
einmaliges Einkommen anzurechnen und die Hilfebedürftigkeit damit
entfallen. Das Sozialgericht Dortmund gab der ARGE Recht. Als Einkommen ist
dasjenige anzusehen, was der Hilfebedürftige während des
Leistungsbezuges wertmäßig dazu erhalte. Vermögen ist, was der
ALG II-Empfänger bei Beginn des Leistungsbezuges bereits zur
Verfügung habe. ↓↓ - Wir fragen uns, wie die ARGE von
diesem Gewinn Kenntnis erlangt hat ?
Tätowierer und Künstlersozialversicherung
Urteil des Bundessozialgerichtes vom 28. Februar 2007, Akz: B 3 KS 2/07 R
Es besteht keine Versicherungspflicht eines Tätowierers nach dem
Künstlersozialversicherungsgesetz. § 2 Satz 1
Künstlersozialversicherungsgesetz lautet: Künstler im Sinne dieses
Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt
oder lehrt.
Das Bundessozialgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Das Gericht folgte der Argumentation, dass ein Tätowierer eher zum Kreis
der Kunsthandwerker gehöre. Eine gewisse gestalterische Leistung, z.B. bei
der freien Gestaltung eines Motives, sei dem Kläger zwar nicht
abzusprechen. Das gelte aber auch für viele Handwerker wie etwa
Goldschmiede oder Instrumentenbauer. Das Tätowieren ist trotz einer
kreativen Komponente eine handwerkliche Tätigkeit im weiteren Sinne.
Eingliederungsvereinbarung und Sanktionen
Beschluss des Landessozialgerichtes Hessen vom 21.02.2007 - Akz: L 7 AS 288/06
ER
In diesem Fall war eine Eingliederungsvereinbarung mit der
Hilfebedürftigen nicht abgeschlossen worden, stattdessen hatte die
Arbeitsagentur einen ersetzenden Verwaltungsakt erlassen. Darin wurden
die Verpflichtungen der Arbeitslosen aufgelistet. Da die Klägerin
diesen Verpflichtungen nach Ansicht der Behörde nicht nachkam, wurde das
Arbeitslosengeld für 3 Monate gestrichen. Sie erhielt kein
Arbeitslosengeld mehr, sondern nur noch Leistungen für Unterkunft und
Heizung.
Das Hessische Landessozialgericht hat nun entschieden, dass in solchen
Fällen die Betroffene wegen des Pflichtenverstoßes nicht
sanktioniert werden darf. Eine Pflichtverletzung hätte nur auf der
Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung geahndet werden können. Das
Gesetz sieht keine Leistungskürzung aufgrund des Verstoßes gegen
einen ersetzenden Verwaltungsakt vor.
Sozialhilfe und Wohngeld
Urteil des Verwaltungsgericht Oldenburg, 26.01.2007 (Akz:13 A 843/06) - Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Wohngeld: Die Vermutung des § 18 Nr. 4 HS 2 WoGG ist jedenfalls dann im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auf zusammen wohnende Familienmitglieder zu erstrecken, wenn alle Familienmitglieder eine einzige Wohnküche benutzen und nach außen der Eindruck eines "Gesamthaushalts" entsteht. In diesem Fall ist der volle Gegenbeweis zu erbringen, dass ungeachtet einer Wohngemeinschaft keine Wirtschaftsgemeinschaft besteht.