Beiträge zum Stichwort »Sozialrecht«
Eingliederungsvereinbarung und SGB II
Rechtsanwalt Christian Sehn - Mannheim - Sozialrecht:
Die GfA mbH (Gesellschaft für Arbeitsmarktintegration
Vorderpfalz-Ludwigshafen) verschickt derzeit Eingliederungsvereinbarungen an
Leistungsempfänger, die bereits teilzeit oder vollzeit
versicherungspflichtig beschäftigt sind. Der Leistungsempfänger wird
aufgefordert, die Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen und bis zu einem
bestimmten Datum zurück zu senden, da ansonsten eine Kürzung der
Leistung um 30% droht. Geregelt wird in der EV als Pflicht des
Leistungsempfängers:
- Abstimmung eines Aufenthaltes außerhalb des zeit- und ortsnahen
Bereiches mit dem persönlichen Ansprechpartner und
- Mitwirkung an allen Maßnahmen zur Eingliederung, insbesondere die "motivierte Fortführung der Erwerbstätigkeit"
In der Rechtsfolgenbelehrung wird der Leistungsempfänger darauf
hingewiesen, dass ein Verstoß gegen diese Grundpflichten zu einer
Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 % führt.
Die Forderung der Sozialverwaltung halten wir für
unzulässig. Der Begriff "motiviert" ist vollkommen unbestimmt und kann
nahezu alles bedeuten. Es wird auch nicht ersichtlich, was die GfA eigentlich
von dem Arbeitnehmer erwartet. Möglicherweise sollen die Kriterien des
§ 31 SGB II (Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengeldes II) aufgeweicht
werden. Eine Abmahnung auf der Arbeitsstelle könnte z.B. als unmotiviertes
Verhalten gewertet und durch die GfA mit einer Sanktion belegt werden.
Pflegeversicherungsrecht
Urteil des Bundessozialgerichtes vom 19.04.2007, Akz: B 3 P 8/06 R:
Der Umzug aus einer bereits mit einem Zuschuss behindertengerecht gestalteten
Wohnung in eine erst noch behindertengerecht auszustattende Wohnung kann
einen Anspruch eines pflegebedürftigen Versicherten auf einen zweiten
Zuschuss für Maßnahmen zur Verbesserung seines individuellen
Wohnumfeldes begründen - aber s. auch BSG SozR
3-3000 § 40 Nr.2+3.
Privatinsolvenz und Rentenüberzahlung
Urteil des Sozialgerichtees Dortmund vom 21.02.2008, Akz.: S 26 R
320/06:
Das SG Dortmund hat im Fall einer 57-jährigen Witwe entschieden, dass die
Deutsche Rentenversicherung trotz eines Restschuldbefreiungsverfahrens im
Rahmen der Privatinsolvenz nicht gehindert ist, die unpfändbare
Rentenzahlungsbeträge gegen Rückzahlungsforderungen aus
vorausgegangenen Überzahlungen aufzurechnen. Zum
Sachverhalt: die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte
zunächst fest, dass die Dame eine Überzahlung der Witwenrente von
insgesamt 7.714 € erhalten hatte (sie hatte geraume Zeit rentenminderndes
Einkommen erzielt). Nach Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens über
das Vermögen der Witwe, hat die Rentversicherung den zu viel gezahlten
Rentenbetrag als Insolvenzforderung angemeldet. So dann hat die
Rentenversicherung jeden Monat 100 € mit der laufenden Rente der
Klägerin (894,- Euro im Monat) aufgerechnet. Hiergegen wendet sich diese
mit einer Klage an das Sozialgericht - jedoch ohne Erfolg. Die
Rentenversicherung kann den Anspruch auf Erstattung zu Unrecht erbrachter
Sozialleistungen bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit mit der
laufenden Witwenrente nach § 51 Abs. 2 SGB I aufrechnen. Diese
Erklärung der Aufrechnung ist trotz der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens und des andauernden Restschuldbefreiungsverfahrens wirksam.
Die Beklagte rechnet zwar mit einer Forderung auf, die als unpfändbarer
Teil der Rente nicht zur Insolvenzmasse gehört -
Sozialleistungsträger werden im Interesse der Versichertengemeinschaft
aber dahingehend privilegiert, dass sie auch aufrechnen können, wenn die
Einzelzwangsvollstreckung und die Pfändung ausgeschlossen ist. Dies gilt
auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
eines Versicherten.
Arbeitslosengeld II und Kürzung
Beschluss des Hessischen LSG vom 05.11.2007, Akz: L 6 AS 279/07:
Das Arbeitslosengeld II darf von der Behörde um 10 % gekürzt werden, sofern der
Leistungsempfänger ohne wichtigen Grund seiner
Meldepflicht nicht nachkommt. Das Gericht hat entschieden, dass ein wichtiger
Grund nicht vorliegt, wenn etwa ein 12-jähriges Kind von der Schule
abgeholt werden "muss". Sachverhalt: die Arbeitslose war von der Arbeitsagentur
zu einem persönlichen Gespräch eingeladen worden. Mit der Einladung
wurde sie über eine mögliche Leistungskürzung belehrt, wenn sie
dieser Aufforderung nicht nachkommt. Die Mutter erschien zu dem Termin nicht,
da sie ihren 12jährigen Sohn von der Schule abholen musste. Das
Arbeitslosengeld wurde daraufhin um 10 % wegen Verletzug der Meldepflicht
gekürzt. Nach Ansicht des Gerichtes sei es einem zwölfjährigen
Schüler grundsätzlich möglich, den Schulweg ohne
Unterstützung der Eltern selbstständig zurückzulegen.
Existenzgründerzuschuss und ALG II
Urteil des BSG vom 06.12.2007, Akz.: B 14/7b AS 16/06 R:
der Existenzgründungszuschuss ist keine zweckbestimmte Einnahme, die einem
anderen Zweck dient als die Leistungen nach dem SGB II und die deshalb bei
der Ermittlung des Einkommens im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
unberücksichtigt bleibt. Der Existenzgründungszuschuss ist daher bei
der Berechnung von Arbeitslosengeld II als Einkommen zu
berücksichtigen.
ALG II, Vermögen und Nießbrauch
Urteil des BSG vom 06.12.2007, Akz: B 14/7b AS 46/06 R: Grundeigentum, das in absehbarer Zeit nicht verwertet werden kann und dessen Verwertbarkeit nicht vom Willen des Vermögensinhabers abhängt (Das Haus des Hartz IV-Empfänger war mit einem lebenslangen Nießbrauch zugunsten der Mutter des Klägers belastet), ist nicht als berücksichtigungsfähiges Vermögen im Sinne des SGB II anzusehen. Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil des LSG aufgehoben - Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind vom Grundsicherungsträger als Zuschuss und nicht nur als Darlehen zu gewähren !!
Berufskrankheiten und Anerkennung
Urteile zum Thema Berufskrankheit:
Bescheid des SG Düsseldorf vom 05.11.2007, Akz. S 16 U 46/05: Können
bei einem Boden-Akrobaten laut Sachverständigengutachten keine
altersunüblichen Höhenminderungen einer oder mehrerer Bandscheiben
belegt werden, so liegt keine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung vor.
Bescheid des SG Düsseldorf vom 24.01.2008, Akz. S 16 U 15/06: Häufige
Drehbewegungen des Kopfes über die Halswirbelsäule können nach
der herrschenden medizinischen Meinung keine Schäden an der
Wirbelsäule hervorrufen. Somit scheidet die Anerkennung einer Berufs- oder
Quasi-Berufskrankheit aus.
vertragsärztliche Tätigkeit und Altersgrenze
Beschluss des LSG SchlH vom 25.05.2007, Akz: L 4 B 406/07 KA ER:
Die Vorschriften über die Beendigung der Zulassung zur
vertrgagsärztlichen Tätigkeit bei Erreichen der Altersgrenze von 68
Jahren sind mit dem Grundgestz vereinbar - Auch die Normen
des Europäischen Gemeinschaftsrechtes sowie § 10 des AGG (Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz vom 14.08.2006) sind nach Ansicht des Gerichtes durch
die Altersbegrenzung nicht verletzt. Der Kläger war von Beruf
Psychotherapeut.
Kein Erziehungsgeld für Grenzgänger
Urteil des EuGH vom 18.07.2007, Akz: C-213/05:
Leitsatz: "Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/ 68 des Rates vom
15.10.1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der
Gemeinschaft steht einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats nicht
entgegen, die eine Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats, die in
diesem Staat wohnt und im erstgenannten Mitgliedstaat eine geringfügige
Beschäftigung (zwischen 3 und 14 Stunden je Woche) ausübt, vom Bezug
einer sozialen Vergünstigung, wie des deutschen
Erziehungsgelds, ausschließt, weil sie im erstgenannten
Mitgliedstaat weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat"
- Die Klägerin ist niederländische
Staatsangehörige und hat in Deutschland (Nordrhein-Westfalen) gearbeitet.
Die Klage war in der ersten Instanz und in der Berufungsinstanz gescheitert. In
der Revisionsinstanz hat das BSG das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
SGB II und Heizkosten
Urteil des Sozialgerichtes Dortmund vom
19.11.2007, Akz: S 32 AS 114/07:
Hält der Grundsicherungsträger die Heizkosten eines ALG
II-Empfängers für zu hoch, muss er diesen zunächst darauf
hinweisen und auffordern, die überhöhten
Heizkosten auf ein angemessenes Maß zu senken. Eine Kürzung der zu erstattenden Heizkosten kommt
nur in Betracht, wenn dem Leistungsempfänger außerdem
unwirtschaftliches Verhalten nachzuweisen ist und es dem Hilfebedürftigen
grundsätzlich möglich gewesen ist, sein Heizverhalten dem
durchschnittlichen Verbrauch der Mitbewohner seines Hauses anzupassen.