Beiträge zum Stichwort »Sozialrecht«

Sonntag, 02. November 2008

Kindergeld, Einkommensgrenze +Fallbeileffekt

Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 29.05.2008, Akz: III R 54/06: 
1. Ausgangssituation:
Der Bezug von Kindergeld ist abhängig vom Verdienst des Kindes. Wurde bisher der Grenzbetrag in Höhe von 7.680,- € auch nur um 1,- € überschritten, so mussten die Eltern des Kindes auf das gesamte Kindergeld des Kalenderjahres verzichten (sog. "Fallbeileffekt"). Meistens ergehen - nachdem am Ende des Jahres sämtliche Ausbildungsvergütungsbescheinigungen eingereicht wurden - parallel zwei oder drei Bescheide der Familienkasse. Zunächst ein Aufhebungsbescheid für das abgelaufene Kalenderjahr, ein Rückforderungsbescheid für das bereits ausbezahlte Kindergeld im abgelaufenen Kalenderjahr und schließlich noch ein Aufhebungsbescheid für das aktuelle Kalenderjahr. Ein Einspruch gegen den Bescheid entwickelt bedauerlicherweise keine aufschiebende Wirkung. Also muss zusätzlich zur Klageeinreichung noch ein Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" gestellt werden. Kompliziert und für den Bürger undurchschaubar wird die ganze Angelegenheit auch dadurch, dass für eine klassisch sozialrechtliche Materie der Weg über die Finanzgerichtsbarkeit und die Anwendung der AO vorgeschrieben ist.
2. Entscheidungen
In den letzten Jahren sind mehrere Entscheidungen zugunsten der Bezugsberechtigten von Kindergeld ergangen. So sind nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.01.2005, Aktenzeichen: 2 BvR 167/02 z.B. die Werbungskosten und die Aufwendungen für die Sozialversicherungen vom Bruttoeinkommen abzugsfähig. Die Einkünfte und Bezüge dürfen jedoch nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages und der Aufwendungen für die Sozialversicherungsbeiträge nach wie vor den Grenzbetrag von 7.680,00 € nicht überschreiten. Wenn der Grenzbetrag nur um einen Euro überschritten wurde, war der Anspruch auf Kindergeld vollständig entfallen.
Das Finanzgericht Niedersachsen, Aktenzeichen 1 K 76/04 vom 23.2.2006 war der Meinung, dass der "Fallbeileffekt" verfassungswidrig sein könnte. Das anschließende Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof wurde allerdings von der Familienkasse zurückgenommen. Der Hintergrund hierfür war der Umstand, dass der Bundesfinanzhof in anderen Revisionsverfahren die Berücksichtigung privater Krankenversicherungsbeiträge zugunsten der Kindergeldempfänger zugelassen hatte. Zum eigentlichen Streitpunkt wurde zwischenzeitlich beim BFH ein neues Revisionsverfahren mit dem Aktenzeichen: III R 54/06 eingereicht. In diesem Verfahren ging es u.a. auch um die Frage der Berücksichtigung von Lebensversicherungsbeiträgen des Kindes im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Bedauerlicherweise hat der Bundesfinanzhof in dem oben genannten Beschluss - ohne nähere Begründung und unter Berufung auf die bisherige Rechtsprechung des VI. und VII. Senates des BFH - erklärt, dass die Ausgestaltung des Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4, Satz 2 EStG als Freigrenze verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Revision wurde deshalb nicht zugelassen.
3. Ausblick
Die Hoffnungen der Leidtragenden des "Fallbeileffektes" sind durch die Entscheidung des BFH etwas gedämpft worden. Allerdings gilt auch hier der Grundsatz "Roma locuta causa finita" (freie Übersetzung: Wenn Rom gesprochen hat, ist der Fall beendet). Erst nach der letzten Instanz ist die Angelegenheit tatsächlich beendet.
Darüber hinaus ist immer wieder festzustellen, dass den Familienkassen schon bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge sowie der Berücksichtigung von Freibeträgen gravierende Fehler zum Nachteil der Antragsteller unterlaufen. Eine Überprüfung der Bescheide durch den Rechtsanwalt kann sich daher durchaus lohnen.

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Sonntag, 02. November 2008

Alg 2 und Telefonanschluss

Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 01.08.2008, Az.: S 6 AS 1786/06:
Arbeitslosengeld II-Empfänger haben keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Telefonanschluss. Die Kammer des SG führt aus, dass der Gesetzgeber im SGB II einen Anspruch auf einen Zuschuss zur Erstausstattung der Wohnung vorsieht. Von diesem Zuschuss wird zwar die Ausstattung einer leeren Wohnung mit Einrichtungsgegenständen und –geräten, nicht jedoch ein Telefonanschluss umfasst - Die Entscheidung ist nach unserer Recherche bisher noch nicht rechtskräftig.  

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Montag, 18. August 2008

Alg 2 und Verpflegungsmehraufwand

Beschluss Sozialgericht Dresden vom 26.06.2008, Akz: S 21 AS 1805/08 ER:
Steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen sind nicht als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II anrechenbar. Der Antragsteller lebt mit der Lebensgefährtin und dem Sohn in Dresden. Er arbeitet als Monteur in den Niederlanden. Neben seinem Lohn erhält er im Monat steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von knapp 530,00 € vom Arbeitgeber. Zusätzlich hat er Arbeitslosengeld II als Aufstockerleistung beantragt. Die Arge lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass das Verpflegungsgeld als Einkommen anzurechnen sei. Das Sozialgericht Dresden gab dem Antragsteller recht. Die Ernährung fernab vom eigenen Haushalt ist teurer als zu Hause - der Gesetzgeber hat diese Aufwendungen bewusst steuer- und sozialversicherungsfrei gestellt. Eine Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II muss daher unterbleiben - ***

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Donnerstag, 31. Juli 2008

Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.03.2008, Akz: L 3 AS 127/07:
Schönes Urteil zu den sog. 1-Euro-Jobs. Eine Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche (+ Fahrzeiten zur Arbeit) ist im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) nicht mehr zumutbar. Es muss dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ausreichend Zeit für Bewerbung auf Stellen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbleiben. Die ARGE hatte dem Kläger den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit einer Arbeitsgelegenheit von 30 Stunden wöchentlich für drei Monate bei einer Mehraufwandsentschädigung von 1,25 Euro je Arbeitsstunde angeboten. Der Kläger hat den Abschluss dieser Vereinbarung ablehnt. Die ARGE hat daraufhin als direkte Reaktion die Regelleistung des Arbeitslosengeldes II um 30 % gekürzt. Das LSG hob die Entscheidung des Sozialgerichtes und die angefochtenen Bescheide auf. Nach Ansicht des Landessozialgerichtes ist eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden und zusätzlich 45 Minuten pro Strecke von der Wohnung zum Einsatzort nicht zulässig. Die Arbeitsuche erfordere ausreichend Zeit für das Lesen von Arbeitsangeboten, das Schreiben von Bewerbungen, das Bewerbungsgespräch bei Arbeitgebern und das Aufsuchen der Agentur für Arbeit - ***

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Donnerstag, 31. Juli 2008

Bundesrechnungshof, 1-Euro-Job und Jobcenter

Der Bundesrechnungshof hat deutliche Kritik an der Arbeit der Job-Center geübt.
1.  viele Arbeitssuchende würden nicht beraten und
2.  mit 1-Euro-Jobs werde in großem Stil Missbrauch getrieben.
Missbrauch stellten die Prüfer des Bundesrechnungshofes vor allem bei den 1-Euro-Jobs fest. Nach Auskunft der Pressestelle war bei zwei Drittel der geprüften Maßnahmen mindestens eine Fördervoraussetzung nicht erfüllt. Es wurden verschärfte Kontrollen angekündigt - Zur Erinnerung dürfen wir noch einmal darauf hinweisen, dass die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung mehrere Voraussetzungen erfüllen müssen:

  • im öffentlichen Interesse liegen
  • auf zusätzliche Arbeiten beschränkt sein
  • verhältnismäßig sein
  • ausreichend bestimmt sein
  • zur Eingliederung in die Arbeit geeignet sein
  • Der Träger der Maßnahme muss ferner gewisse geforderten Standards erfüllen

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Samstag, 21. Juni 2008

Elterngeld und Provision/Weihnachtsgeld

Sozialgericht Münster, Urteil 25.09.2007, Akz: S 2 EG 26/07: Nach Ansicht des SG Münster sind bei der Berechnung des Elterngeldes Einmalzahlungen in Form von Provisionen und Sondergratifikationen (z.B. 13 Monatsgehalt) nicht berücksichtigungsfähig.

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Montag, 02. Juni 2008

Hinterbliebenenrente und Fremdrentengesetz

Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 29.10.2007, Akz: S 23 KN 41/06 U: Deutsche Sozialversicherungsträger können eine in Polen gezahlte Rente einschließlich des dortigen Steuervorabzuges (sog. Bruttorente) von der für denselben Versicherungsfall gezahlten deutschen Rente in Abzug bringen.

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Montag, 05. Mai 2008

AlG II und geschwärzte Kontoauszüge

Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 3. Januar 2008, Akz: L 8 AS 5486/07 ER-B:
Wichtige sozialrechtliche Entscheidung: Personen - die einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen - müssen vollständig lesbare Kontoauszüge für die vergangenen drei Monate vorlegen ! Nach Ansicht des Gerichtes ist es dabei unzulässig, einzelne Angaben unter Berufung auf den Datenschutz zu schwärzen. Der zuständige Leistungsträger müsse in jedem Einzelfall in der Lage sein, die Angaben des Antragstellers zu überprüfen. Hierzu seien sowohl die Zahlbeträge als auch Buchungstexte aller Kontobewegungen auf dem Kontoauszug im besonderen Maße geeignet. Da die Leistungsempfängerin keine solchen Kontoauszüge vorgelegen wollte, wurde ihr Antrag von der Behörde nicht weiter bearbeitet. Das Landessozialgericht war der Meinung, die Behörde habe sich richtig verhalten. Sie dürfe auf die Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge bestehen, selbst wenn kein konkreter Verdacht auf Leistungsmissbrauch bestehe - aber: andere Entscheidung des Hessischen LSG im Beschluss vom 22. August 2005, Akz: L 7 AS 32/05 ER. Wahrscheinlich ist ein Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts zur Klärung der Rechtslage erforderlich.

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Mittwoch, 23. April 2008

Medikamentenzuzahlung

Urteil des Bundessozialgerichtes vom 22.04.2008, Akz: B 1 KR 10/07 R:
Die Regelleistung des Arbeitslosengeld II (derzeit 347 €) liegt nach Einschätzung der Sozialrichter über dem verfassungsrechtlich geschützten physischen Existenzminimum. Arbeitslose müssen daher auch zukünftig die gesetzlichen Zuzahlungen für Medikamente und weitere Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlen. Das BSG hat die Klage AlG-Empfängers abgewiesen, der der Meinung war, dass die Zuzahlung aufgrund der knappen Regelleistung nicht zumutbar sei. Sie führe zu einer Unterschreitung des Existenzminimums und damit zur Verletzung seiner Menschenwürde und körperlichen Unversehrtheit. In einem anderen Fall mit dem Akz: B 1 KR 18/07 R hatte der Kläger argumentiert, die Zuzahlungen könnten Arbeitslose und andere einkommensschwache Menschen davon abhalten, rechtzeitig zum Arzt zu gehen. Durch die Verschleppung von Krankheiten entstünden so noch höhere Kosten. Auch dieses Argument konnte die Richter nicht überzeugen.

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Mittwoch, 23. April 2008

Wohnungseinrichtung

Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 14.02.2007, Akz: L 2 B 261/06 AS ER:
Das Landessozialgericht hat entschieden, dass ein Pauschalsatz in Höhe von 1.100 Euro für einen allein stehenden Bezieher von Arbeitslosengeld II ausreicht, um die Möbel, Hausrat und Haushaltsgeräte anschaffen zu können, die für eine geordnete Lebensführung - z.B nach einem Wohnungsbrand - notwendig sind.

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