Beiträge zum Stichwort »Sozialrecht«
Arbeitslosengeld II und Pflege von Angehörigen
§ 10 SGB II: "Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist
jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass die
Ausübung der Arbeit mit der Pflege eines Angehörigen nicht vereinbar
wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann."
Die Bundesagentur für Arbeit vertritt in der Durchführungsanordnung
zum SGB II die Ansicht, dass zumindest im Bereich der Pflegestufe 1 und
Pflegestufe 2 dem Pflegenden noch eine andere Tätigkeit zugemutet werden
kann. Die Bundesagentur für Arbeit geht bei der Pflegestufe 1 (erhebliche
Pflegebedürftigkeit der Pflegeperson) sogar davon aus, dass der Pflegende
nebenher noch eine Vollzeitbeschäftigung ausüben kann. - Diese Vermutung ist deutlich zu optimistisch und dürfte je nach
Krankheitsbild des zu Pflegenden gerichtlich zu widerlegen sein.
Arbeitslosengeld II und Zumutbarkeit von Leiharbeit
In § 10 SGB II steht: "Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist
jede Arbeit zumutbar, es sei denn, ...." Dies
bedeutet, dass die Arge oder der Jobcenter den Hilfebedürftigen
grundsätzlich auch auf Leiharbeit verweisen darf. Bei der Leiharbeit gibt
es aber zumindest bei der Entlohnung eine feste Grenze des Zumutbaren. Das
verleihende Unternehmen (Zeitarbeitsfirma) muss den Arbeitnehmer entweder
bezahlen, wie alle anderen festangestellten Arbeitnehmer in der Entleiherfima
(Firma XY) oder aber die Zeitarbeitsfirma wendet die Tarifverträge an, die
zwischen den Gewerkschaften und den Interessenverbänden deutscher
Zeitarbeitsunternehmen abgeschlossen wurden. Dann ist die Zeitarbeitsfirma
verpflichtet, Tariflohn nach den einzelnen Entgeltgruppen nebst Zuschlägen
zu bezahlen. Die Entlohnung unter Tarif hingegen ist ein arbeitsrechtlicher
Verstoß und sozialrechtlich unzumutbar.
Arbeitslosengeld II und Klage
Sollte der ALG II-Empfänger vom Leistungsträger zu einer unsicheren und wenig erfolgversprechenden Klageerhebung (z.B. Unterhalt oder sonstige zivilrechtliche Ansprüche gegen dritte Personen) gedrängt worden sein, besteht im Falle einer Kostenbelastung bei Unterliegen u.U. ein Kostenfreistellungsanspruch gegenüber dem SGB II-Träger.
Arbeitslosengeld II und Vermögensverwertung
Urteil Sozialgericht Düsseldorf:
Verfügt der ALG II-Antragsteller über Vermögen, das an sich
seine Bedürftigkeit ausschließt, steht ihm dennoch die
Grundsicherung zunächst als Darlehen zu, wenn eine sofortige Verwertung
seines Vermögens (z.B. Grundstück, größere Wohnung,
Schmuck, usw.) zu einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Wertverlust
führen würde. - Vom Antragsteller kann also
nicht erwartet werden, dass er seine Wertgegenstände auf dem freien Markt
zu Niedrigstpreisen verschleudert.
Arbeitslosengeld II und (Dispo-)Kreditaufnahme
Urteil OVG Münster:
Die Inanspruchnahme eines Dispositionskredites (Dispo) durch den ALG
II-Empfänger bei seiner Bank kann grundsätzlich nicht erwartet
werden. Die daraus resultierende Verschuldung und Zinsbelastung ist dem
Hilfesuchenden unzumutbar.
Arbeitlosengeld I+II und Umzug
Wer die Leistungen Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II bezieht, ist
verpflichtet einen Umzug unverzüglich dem Leistungsträger zu melden.
Damit es nicht zu Leistungsverzögerungen bei der Auszahlung des ALG I oder
ALG II und sonstiger Leistungen kommt, sollte man sich zunächst am
alten Wohnsitz bei der Agentur für Arbeit oder bei dem zuständigen
Leistungsträger abmelden und sich binnen einer Woche am neuen Wohnsitz
beim Arbeitsamt, usw. anmelden. Sollte es dennoch zu Verzögerungen kommen,
dann liegt das Verschulden beim Leistungsträger und nicht beim
Leistungsempfänger.
ALG II und Regelleistungshöhe
Urteil desBundessozialgerichts vom 23. November 2006 –
B 11b AS 1/06 R
Die Klägerin konnte sich in der Revisionsinstanz nicht mit dem Vorbringen
durchsetzen, die Vorschriften zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und zur
Höhe der Regelleistungen sowie zur Berücksichtigung von Einkommen
seien nicht verfassungsgemäß. Nach Meinung des
Bundessozialgerichtes sind diese Vorschriften des SGB II zur Höhe der
Regelleistungen und zur Berücksichtigung von Einkommen nicht
verfassungswidrig. - ↓↓ Es bleibt also bei der
monatlichen Regelleistung des Alg II von 345 € für Alleinstehende und
der prozentualen Minderung der Regelleistung für Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft sowie den Anrechungsvorschriften des Einkommens.
ALG II und unzulässige Analogiebildung der Jobcenter
SG Karlsruhe - S 5 AS 1248/05 -
LSG Baden-Württemberg - L 8 AS 4364/05 -
Bundessozialgericht Kassel - B 7b AS 6/06 R - B. ./. Jobcenter Karlsruhe
Der 1968 geborene ledige Kläger bewohnt gemeinsam mit seiner über 65
Jahre alten Mutter eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 120 qm. Er
verfügt über kein eigenes Einkommen und Vermögen. Seine Mutter
bezieht eine monatliche Rente in Höhe von 650,00 €; der Mietzins
beträgt 645,52 €. Die beklagte ARGE gewährte ihm für den
Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005 neben anteiligen Kosten der Unterkunft eine
Regelleistung in Höhe von 276 €. Die
Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger könne der volle Regelsatz in
Höhe von 345 € nicht zustehen, weil er
mit seiner Mutter in einer Haushaltsgemeinschaft lebe und wie in einer
Bedarfsgemeinschaft nur abgesenktes Alg II erhalten könne. Innerhalb einer
gemeinsam bewohnten Wohnung könne es keine zwei Haushaltsvorstände
geben. Die Vorinstanzen haben die Beklagte verurteilt, dem Kläger die
volle monatliche Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe
von 345 € zu gewähren. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.
- Die Entscheidung wird mit Spannung erwartet. Das
Parallelverfahren B 11b AS 1/06 B wurde von unserer Kanzlei bearbeitet.
Wohnung und Hartz-IV
Landessozialgericht Hessen, Beschl. v. 05.10.2006 - L 7 AS 126/06 ER
Zur Senkung der Unterkunftskosten bei Wohnungen können Kommunen von
Hartz-IV-Empfängern verlangen, dass diese Teile ihrer Wohnung
untervermieten; dies ist auch dann nicht unzumutbar, wenn sich der Arbeitslose
Bad und Küche mit dem Untermieter teilen müsste. - ↓↓↓ es darf spekuliert werden, was Hartz V bringen
wird.
Die Renten sind sicher....
Aus Leipziger Volkszeitung:
Die bevorstehende Absenkung der Eckrente im nächsten Jahr stößt
auf massive Kritik des Sozialverbandes VdK. VdK-Präsident Walter
Hirrlinger sagte gegenüber der Zeitung:"Was hier mit den Rentnern gemacht
wird, grenzt an Unverschämtheit" - "Die Rentner sind immer die Dummen" -
"Mit anderen Worten: Wir nähern uns 2010 der Grundsicherung. Und wenn die
Politik so weitermacht, haben die Rentner wohl bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag
keine Rentenanpassung mehr." Schwere Vorwürfe erhob der VDK-Präsident
gegen die Ethik der Politik insgesamt. Es werde "nur noch abgesahnt". Die
Politiker seien so weit weg von den Menschen, "dass sie gar nicht mehr wissen,
was die Menschen denken." Die Rentner werden es "nicht hinnehmen, dass sie auf
Dauer die Dummen der Nation sind". Für die nächsten anstehenden
Landtagswahlen kündigte der VdK-Präsident eine Protestwahl der
Rentner an. "Das ist ihre Möglichkeit eines Signals an die Politik, dass
es so nicht mehr weitergehen kann." - ****