Das Bild zeigt den durchgestrichenen Begriff Hartz IV und darunter das Wort Bürgergeld daneben sieht man einige Geldscheine

Bürgergeld und Anwalt

Mit dem Bürgergeld wurden die umstrittenen Hartz IV-Regelungen abgelöst. Bürgergeld wird erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach dem SGB II (zweites Sozialgesetzbuch) gewährt. Das Bürgergeld soll es den Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 SGB II). Das Bürgergeldgesetz ist zum 01.01.2023 (Erhöhung der Regelsätze, Einführung von Karenzzeiten, Anpassung der Formulare) und 01.07.2023 (Verbesserung der Freibeträge für alle Erwerbstätigen, Keine Anrechnung von Einkommen junger Menschen aus Schüler- und Studentenjobs, keine Anrechnung von Mutterschaftsgeld als Einkommen, Anpassung der Anforderungen an die Erreichbarkeit) in Kraft getreten. Am 01.01.2024 traten weitere Änderungen (z.B. erneute Erhöhung des Regelbedarfes) ein. Bürgergeld wird nur auf Antrag gewährt.

Inhaltsverzeichnis

Wer ist zuständig für den Antrag auf Bürgergeld ?

Zuständig für die Gewährung von Bürgergeld ist das Jobcenter. Derzeit gibt es bundesweit 405 Jobcenter. Die Jobcenter betreuen rund 5.400.000 Leistungsbezieher (Stand: August 2022)

Wer kann Bürgergeld beziehen ?

Leistungen nach dem SGB II erhalten diejenigen Personen, die vollständig oder teilweise erwerbsfähig sind. Erwerbsfähig ist nach § 2 SGB II derjenige, der drei Stunden oder länger pro Tag einer Arbeitstätigkeit nachgehen kann. Nichterwerbsfähige Personen erhalten dagegen Leistungen nach dem SGB XII vom Sozialamt. Sie müssen nicht arbeitslos sein, um Bürgergeld beziehen zu können. Das Bürgergeld kann auch zusätzlich zu dem Arbeitslohn oder ergänzend zu anderem Einkommen bezogen werden, wenn dieses Einkommen nicht ausreicht, um den Lebensbedarf zu decken. So kommt es häufig vor, dass ein Leistungsempfänger Arbeitslosengeld oder Lohn und gleichzeitig Bürgergeld im selben Zeitraum bezieht. Wer bisher Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatte, hat nun regelmäßig Anspruch auf Bürgergeld.

Leistungen des Bürgergelds

  • Das Jobcenter gewährt u.a. folgende bedarfs- und bedürftigkeitsorientierte Leistungen:

  • Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes

  • Regelbedarf (§ 20 SGB II)

  • Mehrbedarf (§ 21 Abs. 2 SGB II - für werdende Mütter)

  • Mehrbedarf (§ 21 Abs. 3 SGB II - für Alleinerziehende)

  • Mehrbedarf (§ 21 Abs. 4 SGB II - für erwerbsfähige behinderte Menschen)

  • Mehrbedarf (§ 21 Abs. 5 SGB II - für krankheitsbedingte kostenaufwändige Ernährung)

  • Mehrbedarf (§ 21 Abs. 6 SGB II - Härtefall-Mehrbedarf)

  • Mehrbedarf (§ 23 Nr. 4 SGB II - für Nichterwerbsfähige in der Bedarfsgemeinschaft mit Merkzeichen G oder aG)

  • Einmalsonderleistungen (§ 24 Abs. 3 SGB II - Erstausstattung für die Wohnung einschließlich der Haushaltsgeräte)

  • Einmalsonderleistungen (§ 24 Abs. 3 SGB II - Erstausstattung für Bekleidung; auch bei Schwangerschaft; Babyerstausstattung)

  • Einmalsonderleistungen (§ 24 Abs. 3 SGB II - Anschaffung und Reparatur von orthopädischen Schuhen und therapeutischen Geräten)

  • Bildungs- und Teilhabebedarf (§ 28 SGB II - Bsp: Schulausflug der Kinder, Nachhilfeunterricht, Mittagsverpflegung, Schülerbeförderung etc.)

  • Ergänzende Darlehen (§ 24 SGB II - bei unabweisbarem Regelbedarf, Altschulden)

  • Leistungen für Unterkunft und Heizung

  • Mietkosten einschließlich der angemessenen Heizkosten

  • Übernahme der Umzugskosten, Renovierungskosten, Doppelmieten, Kaution, etc - sofern der Wohnungswechsel erorderlich ist

  • Leistungen bei Wohneigentum (Übernahme der Schuldzinsen und eventuell sogar der Tilgungsraten)

  • Mehrbedarf (§ 21 Abs. 7 SGB II - bei dezentraler Warmwassererzeugung)

  • Mietzuschuss für Auszubildende und Studenten gem. § 27 Abs. 3 SGB II

  • Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen

  • Zuschuss zum Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrag gem. § 26 SGB II, wenn die Leistungsberechtigten diese Beiträge selbst tragen müssen

Erhöung des Regelbedarfes

Der Regelbedarf für Alleinstehende und Alleinerziehende, Ehegatten und Partner einer Bedarfsgemeinschaft (BG), sonstige der BG angehörende Erwachsene, Jugendliche von 14 bis 17 Jahren, Kinder von 6 bis 13 Jahren und Kinder von 0 bis 5 Jahren wurde deutlich erhöht (Tabelle der Regelbedarfe). Der Regelbedarf für Einzelpersonen betrug am 1.1.2022 noch 449 €. Am 1.1.2023 stieg er auf 502 € und am 1.1.2024 auf 563 € an. Es erfolgte eine automatische Leistungsanpassung bei allen am 01.01.2023 sowie am 01.01.2024 im Leistungsbezug befindlichen Leistungsbeziehern

Kosten der Unterkunft (KdU)

Das Jobcenter übernimmt die angemessen Kosten der Unterkunft. Zu den Kosten der Unterkunft gehören zum Beispiel:

- die Kaltmiete

- die Hausnebenkosten: Kosten für Müllabfuhr, Kosten der Wasserversorgung, Kosten des Betriebs des Aufzugs, Grundsteuer, Beleuchtungskosten, Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung, Kosten für den Hausmeister etc. Auch die TV-Kabelgebühren gehören zu den Hausnebenkosten (Allerdings ist hier der Wegfall des Nebenkostenprivilegs am 1.7.2024 zu berücksichtigen).

- die Heizkosten

Diese Kosten ergeben sich regelmäßig aus Ihrem Mietvertrag. Nicht zu den Kosten der Unterkunft zählen die Aufwendung für den Stromverbrauch. Die Stromkosten müssen aus dem Regelbedarf gedeckt werden. Auch die Kosten nach Wegfall des Nebenkostenprivilegs bei den Kabelgebühren sind wahrscheinlich zukünftig aus dem Regelbedarf zu decken.

Was sind die angemessen Kosten der Unterkunft ? Über die Frage der Angemessenheit bestehen häufig unterschiedliche Auffassungen zwischen Jobcenter und Leistungsempfänger. Prinzipiell bestehen zwei Konzepte: Kommuneninterne Konzepte und Satzungen (bei Ermächtigung des Landesgesetzgebers). Beide Konzepte sind gerichtlich überprüfbar. Welche Miete angemessen ist, lässt sich nicht pauschal sagen. In München oder Berlin werden sicher höhere Mieten als in Mannheim, Ludwigshafen und Umgebung als angemessen gelten. Nach Beendigung der Karenzzeit (1 Jahr) und Ablauf der des Kostensenkungszeitraumes (6 Monaten; § 22 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II) dürften nunmehr zahlreiche Gerichtsverfahren um die Frage der angemessenen Kosten der Unterkunft vor den Sozialgerichten geführt werden.

Rechtsweg

Für die Gewährung von Bürgergeld ist das Jobcenter an Ihrem Wohnort zuständig. Gegen einen ablehnenden Bescheid des Jobcenters können Sie binnen einer Frist von einem Monat - ab Bekanntgabe des Bescheides - einen Widerspruch erheben. Sie können sich bereits im Widerspruchsverfahren anwaltlich vertreten lassen. Manche Rechtschutzversicherungen übernehmen bereits die Kosten eines Widerspruchsverfahrens. Unterliegt das Jobcenter, trägt es die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung (Anwaltskosten). Für den Fall, dass Sie über keine eintrittsbereite Rechtschutzversicherung verfügen, besteht für Sie die Möglichkeit, für das Widerspruchsverfahren Beratungshilfe beim örtlich zuständigen Amtsgericht zu beantragen. Die Beratungshilfestelle wird Ihnen hoffentlich einen Beratungshilfeschein ausstellen. Mit diesem Beratungshilfeschein sollten Sie sodann einen Fachanwalt für Sozialrecht oder zumindest einen Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt Sozialrecht kontaktieren (Hinweise für die Tätigkeitsschwerpunkte finden sich auf der Homepage des Anwaltes). Die Beratungshilfestelle des Amtsgerichtes darf Sie mit Ihren Fragen nicht wieder an das Jobcenter selbst verweisen. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.05.2009 (Aktenzeichen: 1 BvR 1517/08) ist eine derartige Vorgehensweise unzulässig. Das Jobcenter wird auf Ihren Widerspruch entweder einen Abhilfebescheid erlassen oder aber es ergeht ein ablehnender Widerspruchsbescheid. Im Falle eines ablehnenden Widerspruchsbescheides können Sie binnen einer Frist von einem Monat - ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides - eine Klage beim örtlich zuständigen Sozialgericht erheben. An die erste Instanz vor dem Sozialgericht schließt sich eventuell ein Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht und unter Umständen auch eine Revision vor dem Bundessozialgericht an.

Häufig auftretende Probleme im Umgang mit dem Jobcenter

  • Probleme im Zusammenhang mit der Antragstellung:

  • Mündliche Auskünft des Jobcenters, wonach Sie keinen Anspruch auf ALG II haben, sollten Sie nicht akzeptieren. Sie haben eine Anrecht auf einen schriftlichen Bescheid (§ 33 Abs. 2 SGB X). Den Bescheid und seinen Berechnungsteil können Sie dann in aller Ruhe sorgfältig überprüfen. Gegebenenfalls kann binnen einer Frist von einem Monat beim Jobcenter Widerspruch eingelegt werden.

  • Es gilt das Antragserfordernis § 37 SGB II; ohne nachweisbaren Antrag keine Leistungen !

  • Im Falle eines dauerhaften Leistungsbezug an den rechtzeitigen Weiterbewilligungsantrag denken.

  • Anträge und Schriftstücke nachweisbar einreichen (Zeugen, Einschreiben) oder den Empfang der Dokumente vom Jobcenter bestätigen lassen (Posteingangsstempel)

  • Probleme im Zusammenhang mit dem Erlass eines Leistungsbescheides:

  • Sollte das Jobcenter den Erlass eines begehrten Bescheides verweigern, dann kann eine Dienstaufsichtsbeschwerde oder aber eine Untätigkeitsklage der richtige Weg sein, um die Behörde zum Handeln zu zwingen. Ein Untätigkeitsklage kommt frühestens 6 Monate nach Antragstellung oder 3 Monate nach Einreichung und Begründung des Widerspruches in Frage. Zwischenzeitlich besteht natürlich ein Anspruch auf vorläufige Bewilligung (§ 40 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 328 SGB III). Notfalls muss der Anspruch mit einer Eilmaßnahme durch Antrag auf einstweiligen Rechtschutz vor dem Sozialgericht durchgesetzt werden.

  • Auch hier gilt, angeforderte Dokumente nachweisbar einreichen oder den Empfang der Dokumente bestätigen lassen

  • Häufig anzutreffende Schwachstellen der erlassenen Bescheide:

  • Fehlerhafte Anrechnung von Einkommen der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (unselbständige Tätigkeit)

  • Fehlerhafte Berechnung des Arbeitseinkommens aufgrund einer selbständigen Tätigkeit (Stichwort: überzogene Gewinnprognosen, unzulässige Streichung von Betriebsausgaben)

  • Fehlerhafte Anrechnung von Vermögen der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (Stichwort: Verwertungsausschluss § 165 Abs. 3 VVG, Unwirtschaftlichkeit der Verwertung)

  • Fehlerhafte Anrechnung von Vermögen (Stichwort: unzutreffende Wertbestimmung der Vermögensgegenstände)

  • Fehlerhafte Annahme einer Bedarfsgemeinschaft, obwohl kein Einstandswille füreinander erkennbar (Stichwort: Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft)

  • Die Kosten der Unterkunft werden als unangemessen bezeichnet und gekürzt (Stichwort: fehlendes schlüssiges Konzept; Übersehen der kalten Betriebskosten)

  • Senkung der Kosten der Unterkunft nach fehlerhafter oder ohne Kostensenkungsaufforderung

  • Verweigerung der Übernahme der Umzugskosten, Kaution, Renovierungskosten

  • Mehrbedarfszuschläge werden nicht anerkannt, obwohl die Anspruchsvoraussetzungen hierfür eindeutig erfüllt sind (Stichwort: ernährungsbedingter Mehrbedarf)

  • Erlass unzutreffender Sanktionsbescheide, durch die die Regelleistungen drastisch gekürzt werden (Stichwort: 1 Million HartzIV-Sanktionen in 2015)

  • Fehlerhafte Aufhebungsbescheide und Rückforderungsbescheide, ohne vorherige Anhörung oder aufgrund einer unzutreffenden Ermächtigungsgrundlage

  • Fehlerhafte Ermessensausübung, gerade auch im Zusammenhang mit sog. Kann-Leistungen

Bürgergeld - Rechtsanwalt Christian Sehn, Wilhelmstr. 70, 68623 Lampertheim, 06206 - 1859121- Bearbeitungsstand: 16.04.2024 - Der Inhalt dieser Seiten kann auf keinen Fall eine Beratung durch einen Anwalt ersetzen. Bitte beachten Sie unsere Haftungshinweise. Bild: (c) Tim Reckmann / pixelio.de

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